04_Es ist was Faul
spielen
lassen.«
Ich las die Karte laut vor. »Und am Ende die Lust. 1931.
Nummerierte Ausgabe von 100 Exemplaren. Verfasserin:
Daphne Farquitt.« Ich sah den Kater verblüfft an. Daphne
Farquitt, Königin der Schmonzette, Verfasserin von beinahe
fünfhundert Liebesromanen.
»Ehe sie mit ihren wahrhaft schrecklichen Büchern berühmt
wurde«, sagte der Kater, »schrieb sie wahrhaft schreckliche
Bücher, die im Selbstverlag veröffentlicht wurden. In dem
Roman Am Ende die Lust spielt Yorrick die Rolle eines ehrgeizigen Politikers. Er ist nicht mal eine Hauptfigur. Er wird nur
zweimal erwähnt und auch nicht genauer beschrieben.«
»Kannst du mich in die Selbstverlags-Bibliothek bringen?«,
fragte ich.
»Es gibt keine Selbstverlags-Bibliothek«, sagte er achselzuckend. »Wir haben bloß Titellisten und kurze Beschreibungen
aus den Verlagskatalogen bzw. aus dem Wochenblatt für Dilettanten, aber das ist auch schon alles. Andererseits brauchen wir
auch nur ein einziges Exemplar zu finden, dann haben wir ihn
am Wickel.«
Er grinste wieder, aber ich mochte mich dem nicht anschließen. »Das könnte schwieriger sein, als du denkst«, sagte ich und
zeigte ihm die heutige Zeitung.
Der Kater setzte umständlich seine Brille auf und las: »Die
Beseitigung dänischen Schriftguts wird morgen mit der
Verbrennung der Bücher von Daphne Farquitt einen neuen
Höhepunkt erreichen. Die in Kopenhagen geborene Schriftstellerin gilt als besonders gefährlich.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte der Kater und streichelte
sehnsüchtig eine Anzeige für Moggilicious-Katzenfutter. »Warum sollen diese ganzen Liebesromane verbrannt werden?«
»Ich glaube, das liegt auf der Hand«, sagte ich. »Er hat nicht
alle Exemplare seines Buches finden können, und jetzt hofft er,
dass sie bei dieser anti-dänischen Kampagne verbrannt werden.
Wenn er Glück hat, werden seine Bücherverbrenner die letzten
Exemplare von Am Ende die Lust vernichten, ohne dass irgendjemand merkt, dass er nur fiktional ist. Wo versteckt man einen
Stock, nicht wahr?«
Es entstand eine Pause.
»Ich weiß es nicht«, sagte der Kater am Ende. »Wo versteckt
man denn einen Stock?«
»Im Wald.«
Ich starrte nachdenklich aus dem Fenster. Und am Ende die
Lust. Ein Exemplar dieses Buches war der Schlüssel, um Kaine
zu vernichten. Wie viele hatten wohl überlebt?
»Warum soll man einen Stock im Wald verstecken?«, fragte
der Kater, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.
»Das war nur eine Analogie«, erläuterte ich. »Kaine muss alle
Exemplare seines Buches vernichten, aber er will nicht, dass die
Leute misstrauisch werden. Deshalb macht er nicht Daphne
Farquitt – den Stock –, sondern die Dänen – den Wald – zum
Ziel seiner Angriffe. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Gut.«
»Na, dann will ich mich mal auf den Weg machen«, erklärte
der Kater und verschwand stückchenweise.
Ich war darüber nicht sehr überrascht, denn die Abgänge des
Katers verliefen immer nach diesem Schema. Ich schenkte drei
Tassen Tee ein, goss etwas Milch dazu und trug sie hinaus in
den Garten.
Die Tür zu Mycrofts Werkstatt musste ich mit dem Fuß öffnen und so lange offen halten, bis mir Pickwick gefolgt war, erst
dann konnte ich die heißen Tassen auf einer der Werkbänke
abstellen. Aber zum Glück war wenigstens Alan draußen im
Garten geblieben. Mycroft und Polly standen vor einem eigenartig geformten Messingkörper, der auf dem Tisch lag.
»Danke, Schatz«, sagte Polly und griff nach einer der Tassen.
»Wie geht's dir denn immer so?«
»Mittelprächtig bis ganz schlecht, Tante Polly.« Polly war seit
ungefähr zweiundvierzig Jahren mit Mycroft verheiratet. Sie
hielt sich stets im Hintergrund, war aber in Wirklichkeit genauso genial wie ihr Mann. Sie war jetzt knackige siebzig und
behandelte Mycrofts rücksichtslose Liebe zur Wissenschaft mit
bewundernswerter Geduld. »Der Trick«, hat sie mir mal erklärt,
»besteht darin, ihn so zu behandeln wie einen Fünfjährigen mit
einem Intelligenzquotienten von zweihundertsechzig.« Sie hob
ihren heißen Tee an die Lippen und blies vorsichtig, ehe sie
daran nippte. »Denkst du immer noch daran, Smudger in der
Verteidigung spielen zu lassen?«
»Eigentlich wollte ich Biffo das überlassen.« »In der Verteidigung sind beide verschwendet«, murmelte Mycroft, nahm den
Messingkörper vom Tisch und feilte ein bisschen daran herum.
»Du solltest Snake in der Verteidigung spielen lassen.
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