04 Im Bann der Nacht
es hingenommen hatte, dass er diesen Schritt getan hatte. Er hatte Stunden damit verbracht, sich auf ihren Zorn und sogar auf ihren Hass vorzubereiten. Worauf er sich nicht vorbereitet hatte, war ihr Wunsch, die Zeremonie zu vollenden - unvorstellbar . Und natürlich würde er lieber
einen Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein unternehmen, als ihr diese Bitte abzuschlagen. »Besser, als es eigentlich vernünftig wäre«, sagte er zu Styx.
Der Anasso, der Cezars heftigen Schmerz spürte, trat näher zu ihm. »Erzähle mir, was dich bekümmert.«
»Es ist ihr Wunsch, die Zeremonie zu vollenden«, gestand er.
Styx schien auf der Hut zu sein. »Sollte ich gratulieren?«
Cezar schloss für einen kurzen Moment die Augen, als sein Herz sich vor Sehnsucht zusammenzog. »Du hattest recht, Styx. Wir wissen beide, dass Annas Zukunft der Kommission gehört.«
»Womöglich …«
»Nein, Styx!« Cezar schüttelte heftig den Kopf. »Ich werde es mir selbst nicht erlauben, auf das Unmögliche zu hoffen.«
Sein Freund nickte verständnisvoll. Er wusste ebenso gut wie Cezar, dass sich nicht einmal der mächtigste Vampir gegen den Willen der Orakel wehren konnte. Doch bevor er sein Beileid aussprechen konnte, fuhr er herum und richtete seinen Blick auf die Tür. Er spürte, dass sich ein Diener näherte, noch bevor sich die Tür geöffnet hatte.
DeAngelo betrat das Zimmer und verbeugte sich beim Anblick seines Königs tief. »Mylord.«
»Was gibt es?«
»Ein Kobold ist an der Tür. Er bat darum, mit Conde Cezar zu sprechen.«
Styx fauchte verärgert. »Ist es Troy?«
»Das ist der Name, den er nannte.«
»Verdammt.« Styx kämpfte gegen seine Abneigung. Er mochte den exzentrischen Kobold nicht besonders. »Sage ihm, er möge zu uns kommen.«
»Er sagte, dass er über Informationen verfügt, die er nur …«, DeAngelo zögerte, »nur dem Conde verkaufen würde.«
Styx erwiderte scharf: »Troy sollte schleunigst erfahren, dass Vampire nicht für Informationen bezahlen. Ich werde mich um diese Angelegenheit kümmern.«
»Nein.« Cezar packte Styx am Arm. »Falls er Informationen über Morgana besitzt, will ich es nicht riskieren, dass er abgeschreckt wird. Bleibe du hier, und bringe unsere Planung zu Ende. Ich werde mich um Fürst Troy kümmern.«
Styx nahm eine bedrohliche Haltung ein. »Du solltest nicht allein gehen.«
»Du traust dem Kobold nicht?«
»Ich traue niemandem mit dem Blut des Feenvolks.« Bei Cezars warnendem Blick lachte Styx auf. »Natürlich mit Ausnahme deiner schönen Gefährtin.«
Cezar wedelte ungeduldig mit der Hand. Er wollte sich jetzt die Auskunft geben lassen und dann einen Blick in die Küche werfen, um dafür zu sorgen, dass Anna tatsächlich etwas aß und nicht nur über die bevorstehende Nacht grübelte. »Ich glaube, ich bin in der Lage, eine Angelegenheit mit einem einzigen Kobold allein zu bewältigen.«
Styx machte den Eindruck, als wolle er mit ihm streiten, aber angesichts von Cezars störrischer Miene nickte er schließlich widerstrebend. »Wie du wünschst.«
Cezar klopfte seinem Freund auf die Schulter und folgte DeAngelo durch die Halle bis in den vorderen Bereich des Gebäudes. Erneut fiel ihm die heimelige Atmosphäre des Hauses auf. Das musste Shays Werk sein, dachte er trocken. Denn Viper verfügte über eine natürliche Extravaganz, die seine diversen Nachtclubs in Chicago zu einer
Sensation gemacht hatten - ein gemütliches Landhaus einzurichten war sicher nicht sein Fall.
Der Wächter hielt vor einer geschlossenen Tür an und verbeugte sich, bevor er schweigend in der Dunkelheit verschwand.
Cezar hielt einen Augenblick inne, verblüfft zu entdecken, dass seine Beine sich sonderbar schwach anfühlten. Kein Wunder. Es war lange her, seit er zuletzt Nahrung zu sich genommen hatte. Normalerweise war er peinlich genau, was seine Blutzufuhr betraf. Eine Spielfigur der Orakel zu sein bedeutete, dass er nie genau wusste, wann er zur Schlacht gerufen werden würde. Nicht vollkommen bei Kräften zu sein wäre absolut unverzeihlich gewesen.
Ehrlich gesagt, hatte er das in Flaschen abgefüllte Blut nicht mehr trinken wollen, nachdem er die Süße aus Annas Ader gekostet hatte. Das war nicht nur töricht, sondern auch gefährlich. Vorerst war Anna strengstens vom Speiseplan gestrichen!
Mit dem Versprechen an sich selbst, Nahrung zu sich zu nehmen, sobald er die Sache mit dem Kobold hinter sich gebracht hatte, öffnete Cezar die Tür und betrat das lange, dunkle Zimmer, das
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