04 Im Bann der Nacht
durchzuckte ihren Kopf, aber damit ging endlich die erste Regung in ihrem Blut einher. Dem gnädigen Himmel sei Dank! Sie war doch nicht dazu verdammt, mit nichts weiter als einem funkelnden Stein und ihren bloßen Händen gegen die Elfenkönigin anzutreten.
Ihre Erleichterung sorgte dafür, dass sie sich wieder aufrappeln konnte. Dennoch griff sie nicht sofort an. Die Macht war noch schwach und schwer fassbar. »Es ist noch nicht zu spät, weißt du«, sagte Anna deshalb und wischte sich das Blut von den Lippen. Sie hatte keine Ahnung, ob sie imstande war, Morgana zu besiegen, selbst wenn ihre Kräfte wieder ihre volle Stärke erreicht hatten, aber ihr Sinn für Fairplay verlangte, dass sie wenigstens versuchte, die Frau zu überzeugen.
»Zu spät wofür?«, höhnte Morgana und hob die Hand, um Anna in Bänder aus stahlharter Luft einzuschließen.
Anna stöhnte gequält, aber sie weigerte sich nachzugeben. »Ich nehme an, dass du in der Lage bist, dich noch zu ändern, falls du das wirklich willst.«
Morgana lachte. Diesmal war sie wirklich belustigt. »Du meinst, dass ich mich in eine liebevolle, gütige Königin verwandeln könnte, die ihre Untertanen liebt?«
Die Bänder zogen sich allmählich immer fester zu und drohten Anna die Luftzufuhr abzuschneiden. Ganz zu schweigen davon, dass sie saumäßig wehtaten. »Etwas in der Art«, keuchte sie.
Überzeugt, dass Anna ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, ging Morgana auf sie zu und musterte sie mit tödlicher Kälte. »Und ich nehme an, dazu gehört auch, dass ich dich nicht töte?«
»Das wäre ein Anfang«, stieß Anna hervor. Ihre Macht fing an, mit aller Kraft in ihrem Inneren zu pulsieren, während gleichzeitig eine Schwärze durch ihren Geist wirbelte, die auf ihrem zunehmenden Sauerstoffmangel gründete. Die würgenden Bänder würden sie nicht töten, aber sie würden dafür sorgen, dass sie einige Zeit ohnmächtig wurde.
Morgana kniff die Augen zusammen. »Du Närrin!«
»Nein, ich bin einfach eine Frau, die gelernt hat, dass ein Leben ohne Liebe nichts wert ist. Du herrschst vielleicht eines Tages über die Welt, aber trotzdem wirst du unglücklich sein.«
Die herrlichen grünen Augen blitzten so, als sei Morgana überwältigt von dem Drang, Annas sanften Worten endlich Einhalt zu gebieten. »Im Leben geht es um Macht«, knirschte sie und schlug Annas Kopf wieder und wieder gegen die Säule. »Wer sie besitzt und wer nicht.«
Anna konnte einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken, als ihr Schädel durch die gnadenlose Tracht Prügel zu brechen drohte. Sie musste diese Sache unbedingt beenden. Und zwar sofort.
Unwillkürlich umklammerte sie den Smaragd mit der Hand und zwang ihren armen, misshandelten Kopf, sich auf die Hitze zu konzentrieren, die in ihrem Blut kochte.
Ausnahmsweise brach die Energie einmal nicht als unkontrollierbare Flut aus ihr hervor. Eigentlich bewegte sie sich gar nicht. Stattdessen spürte Anna, wie sie selbst in den goldenen Fluten versank, die jetzt durch ihren Körper strömten.
Seit sich ihre Kräfte zum ersten Mal gezeigt hatten, hatte sie sie gehasst. Nein, eher gefürchtet, da sie sie so unmissverständlich als noch ungewöhnlicher kennzeichneten, als sie ohnehin schon war. Jetzt wurde ihr klar, dass die Magie eine Gabe war. Sie war nicht böse, genauso wenig, wie sie nicht gut war. Sie … war einfach. Eine Kraft, die aus ihrem eigenen Herzen entstand und von dort aus auch gelenkt wurde. Und diese Akzeptanz war es, die ihr endlich die Kontrolle verlieh, die vorher so schwer möglich gewesen war.
Anna ließ die Hitze nach oben strömen und konzentrierte sich auf die Bänder, die sie unbarmherzig festhielten. In ihrem Kopf stellte sie sie sich so hart und dick wie Stahl vor. Mit roher Gewalt würden sie unmöglich zu zerbrechen sein, also stellte sie sich stattdessen vor, wie ihre Kräfte tief in ihr Material einsickerten und die Hitze sie schmelzen ließ, bis sie biegsam wurden.
Anna setzte ihre Kräfte frei und ballte die Hände zu Fäusten, als Morgana ihren Angriff fortsetzte. Ihre Schläge wurden sogar noch brutaler, als sie Annas Versuche spürte, ihr zu entkommen.
»Nein«, rief Morgana. »Dieses Mal wirst du sterben!«
Doch Anna merkte schon, wie die Bänder sich allmählich lösten. »Du bist zu schwach, um mich zu töten, Morgana«, warnte sie sie. »Hör auf, bevor ich gezwungen bin, dich zu verletzen.«
» Mich verletzen?« Morgana gab einen wilden Schrei von sich und zermalmte mit der
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