04 Im Bann der Nacht
Angst fast auf zu schlagen. Wurde
er irgendwie angegriffen? War das irgendein Vampirüberfall, den sie nicht sehen oder spüren konnte? Oder war er vielleicht krank? »Lieber Gott … Cezar.« Sie kroch auf seinen Schoß, und ihre Kräfte wirbelten durch den Raum. Dabei merkte sie kaum, wie die schweren Statuen unter ihrer Macht umfielen und zu Boden krachten. Ihre Aufmerksamkeit war auf den Vampir gerichtet, dessen Gesicht sich krampfhaft verzerrte. Sie konnte sehen, dass er heftige Schmerzen hatte. »Was ist los?«
Nach einer gefühlten Ewigkeit entspannte sich Cezar allmählich wieder und öffnete die Augen, um sie verständnislos anzustarren. »Anna?«
»Ja? Bist du verletzt? Brauchst du Viper?«
Er hob eine Hand, um nach seinem Hinterkopf zu tasten, und in seine dunklen Augen trat endlich wieder ein klarerer Blick, als er sich von der fremden Macht befreite, die ihn in ihrem Bann gehalten hatte. »Es ist nichts weiter als ein Schädelbruch und heftige Enttäuschung«, erklärte er und ließ den Blick über ihren nackten Körper schweifen, der noch immer rittlings auf ihm saß. »Typisch für die Orakel.«
Anna versteifte sich. »Die Orakel?«
»Si.« Er verzog das Gesicht und hob eine Hand, um sich die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen. »Sie sind anscheinend noch nicht auf dem Stand, Mobiltelefone zu benutzen. Nicht, dass ich ein Mobiltelefon verwenden könnte, wenn sie es täten.«
Trotz der Hitze des Wassers stieg ein Kältegefühl in Anna auf. Sie glitt von Cezars Schoß und zitterte unwillkürlich. »Was haben sie gesagt?«
Er setzte eine verschlossene Miene auf. »Ich muss dich für eine Weile verlassen.«
»Mich verlassen?«
»Ich hoffe, ich werde nicht lange fort sein, aber …«
Anna stand auf, und eine ungeheure Angst krampfte ihr den Magen zusammen. »O nein, Conde Cezar, nicht schon wieder!«, zischte sie.
Mit einer weitaus eleganteren Bewegung stand Cezar direkt vor ihr. Er wirkte mit seiner bronzefarbenen Haut, die im schwachen Licht glänzte, wie ein Gott, der sich aus dem Wasser erhob. »Anna, ich muss gehen«, sagte er mit düsterer Stimme. »Wenn die Orakel rufen, kann kein Dämon ihre Befehle ignorieren. Es sei denn, man hat es eilig, sich sein eigenes Grab zu schaufeln.«
Anna wich zurück, bis ihre Beine den Rand der Wanne berührten. Sie war unfassbar wütend, aber die Versuchung, die Hand auszustrecken und die perfekte bronzefarbene Haut zu berühren, war trotzdem überwältigend. »Orakel!« Sie lachte kurz und bitter auf. »Ach komm! Denk dir wenigstens eine neue Ausrede aus, wenn du mich verlassen willst. Gott, ich bin eine solche Idiotin! Du bist wahrhaftig der Meister des Ex-und-hopp-Sex, und trotzdem lasse ich dich …«
»Verdammt, Anna, dies ist kein finsterer Plan, mit dem ich versuche, mich davonzustehlen!« Mühelos überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und streckte die Hände aus, um ihre Schultern mit einem beinahe schmerzhaften Griff zu umfassen. »Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, den Orakeln zu sagen, sie mögen sich zum Teufel scheren, und hier bei dir zu bleiben, so würde ich das tun! Und ich schwöre bei meinem Leben, dass ich zu dir zurückkehren werde, sobald ich frei bin.«
»So wie beim letzten Mal?«
Er zuckte zusammen, als habe sie ihn geschlagen. Dann
ließ er die Hände sinken und zog ohne Vorwarnung den schweren Siegelring vom Finger. »Hier.«
Anna sah verblüfft aus, als er ihr den Ring in die Hand drückte und ihre Finger fest darum schloss. »Was soll das?«
»Dieser Ring steckt an meinem Finger, seit ich als Vampir erwachte. Er ist ein ureigener Teil von mir.«
»Ich verstehe immer noch nicht.«
»Und du verfügst über das Blut der Uralten, über Naturmagie.« Er blickte ihr tief in die Augen, und seine Macht prickelte mit einer kühlen Brise auf ihrer Haut. »Mit diesem Ring kannst du mich finden, egal, wo auch immer auf dieser Welt ich mich befinde. Ebenso, wie Sybil in der Lage war, dich zu verfolgen.«
Anna starrte mit gerunzelter Stirn hinunter auf den schweren Goldring mit den sonderbaren Schnörkeln. »Und wie soll das funktionieren?«
»Ich besitze nicht die Gabe der Magie, doch ich weiß, dass du über diese Fertigkeit verfügst.« Sein Finger glitt unter ihr Kinn, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. »Anna, ich werde zu dir zurückkehren, das schwöre ich.«
Statt ihm zu antworten, stieg Anna aus dem Wasser und griff nach einem der Frotteebademäntel, die ordentlich aufgestapelt auf einem
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