04 Im Bann der Nacht
zu umgeben begann, wusste Anna, dass sie etwas tun musste. Irgendetwas.
Sie entriegelte die Türen in ihrem Geist und konzentrierte sich auf das Blut, das durch ihre Adern strömte. In diesem Blut befand sich die Energie, die mit jedem Tag, der verging, stärker wurde. So stark, dass sie sich alles andere als sicher war, was gleich passieren würde. Zögernd öffnete Anna wieder die Augen, begegnete dem triumphierenden
Smaragdblick von Morgana le Fay und ließ es zu, dass sich ihre zunehmende Macht um sie herum entlud.
Cezar befand sich gerade auf dem Rückweg zu Dantes Villa, als er Annas Not spürte.
Er hatte Stunden inmitten der Bücher vergeudet und nach irgendeinem Hinweis auf Morganas Schwachstellen gesucht. Doch in dieser Zeit hatte er nichts weiter entdeckt als ein obskures Gedicht, das ebenfalls nur das bestätigt hatte, was er bereits gemutmaßt hatte. Schließlich war es der herannahende Tagesanbruch gewesen, der ihn aus den Tunneln vertrieben hatte, zurück auf die Straßen von Chicago. Er hatte sich knapp von Jagr verabschiedet, der ihn mit wachsamem Blick belauert hatte, und machte sich auf den Weg in den Norden der Stadt.
Er war nur noch einige Häuserblocks entfernt, als er spürte, wie ihn die erste Woge der Furcht überkam. Es dauerte einige Zeit, bis er tatsächlich wusste, dass es Annas Gefühle waren, die er wahrnahm. Als Vampir konnte er in den Seelen derjenigen lesen, die ihm nahestanden, und sogar ihre Emotionen spüren, wenn diese stark genug waren. Aber dies war anders. Dies war weitaus persönlicher. Weitaus intensiver. Es fühlte sich beinahe so an, als seien sie … verbunden.
Cezar hatte keine Zeit, um sich Sorgen wegen der alarmierenden Gefühle zu machen, die seinen Körper durchströmten. Er dachte nur an eins: Anna. Blitzartig brachte er die letzten Meter hinter sich und stürzte in das riesige Haus.
Die Tür schwang mit so viel Wucht auf, dass die Bilder an den Wänden zu wackeln begannen.
»Anna?«, brüllte er und steuerte auf die Treppe zu, als
plötzlich Dante vor ihm auftauchte. Cezar blieb abrupt stehen und starrte seinen Freund an. »Wo ist sie?«
Ein Ausdruck, der Kummer bedeuten konnte, zeigte sich auf dem schmalen Gesicht. »Cezar, hör mir zu …«
»Verdammt, Dante!« Cezar packte den anderen Vampir an den Schultern und schüttelte ihn heftig. »Sag mir, wo sie ist!«
»Wir wissen es nicht«, murmelte Dante.
Cezar schüttelte ihn ein weiteres Mal, und kalte Angst bildete sich in seiner Magengrube.
Abby erschien neben ihm und berührte ihn leicht am Arm. Unter normalen Umständen hätte diese leichte Berührung ausgereicht, um ihn flüchten zu lassen. Der Geist in Abby verfügte über die hässliche Angewohnheit, Dämonen in Flammen aufgehen zu lassen. Nun fuhr er nicht einmal zusammen.
»Cezar, ich weiß, dass du aufgeregt bist«, sagte sie.
»Aufgeregt?«, knurrte er und starrte sie zornig an. »Ich bin weit darüber hinaus, nur aufgeregt zu sein!«
Abbys Gesicht blieb ruhig, obwohl die Lichter um sie herum aufflackerten und mehr als eine Glühbirne unter der Woge seiner Macht platzte. Offensichtlich war sie daran gewöhnt, mit wütenden Vampiren umzugehen. »Ich weiß«, sagte sie sanft. »Aber wenn wir Anna und Levet finden wollen, dürfen wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel gehen!«
Cezar nickte niedergeschlagen. Er war vernünftig genug, zu wissen, dass Abby recht hatte. Wenn Anna in Gefahr war, benötigte er alle Hilfe, die er bekommen konnte, um sie zu retten. Doch im Augenblick wollte er nicht vernünftig sein. Was er wollte, war, die Stadt Stein für Stein auseinanderzunehmen, bis er Anna wieder in den Armen hielt!
»Sagt mir, was ihr wisst.«
Nach einem kurzen Seitenblick zu Dante holte Abby tief Luft. »Anna und Levet sind in ihre Räume gegangen, um zu üben, wie sie ihren Geist abschirmen kann. Sie waren weniger als eine halbe Stunde da drinnen, als ich ihnen einen Snack gebracht habe und feststellen musste, dass sie verschwunden waren.«
»Du hast nichts gehört?«
»Gar nichts.«
»Was ist mit dem Zimmer? Wurde es …«
Als seine Stimme brach, klopfte ihm Dante beruhigend auf die Schulter. »Es gab kein Anzeichen für einen Kampf. Kein Blut. Aber da gibt es etwas, das du selbst sehen solltest.«
Cezar ließ sich widerwillig die Treppe hinaufführen. Dios. Sein gesamter Körper erbebte durch den wilden Drang, sich auf die Jagd zu begeben. Anna befand sich dort draußen … irgendwo. Und gleichgültig, wie groß ihre Kräfte
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