04 - Lebe lieber untot
würde ich ja zumindest von dem Date mit Remy verschont bleiben.
Ich meine: also wirklich! Meine Mutter hatte doch wahrlich frischeres Blut zu trinken, stimmt's? Einer ihrer kostbaren Söhne plante tatsächlich, seinen Junggesellenstatus aufzugeben, um mit einer - röchel - Frau zusammenzuziehen! Und das, nachdem sie erst seit lächerlichen fünf Wochen miteinander ausgingen. Wen interessierte es schon, dass Nina und Rob zusammen aufgewachsen waren? Schließlich war er gerade mal fünfhundertfünfundfünfzig. Das reinste Bahij. Meine Mutter würde dermaßen ausflippen, wenn sie die Neuigkeiten hörte, dass sie meine Wenigkeit mit Gewissheit vergessen und ihren Radar auf meinen Bruder ausrichten dürfte.
Ich lächelte. Aus der Geschichte war ich raus.
„Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen“, verkündete meine Mutter, als sie die massive Haustür öffnete. „Die anderen warten schon alle.“
Jacqueline Marchette sah makellos aus, wie immer, in einem goldfarbenen Wickelkleid von Bill Blass, das ihre hochgewachsene, schlanke Figur betonte. Ihr langes dunkles Haar trug sie in einem schicken französischen Zopf, und ihre erstaunlichen braunen Augen waren von langen, dichten Wimpern umkränzt. Sie hatte eine perfekte Nase und hohe, wohlgeformte Wangenknochen. Ein sanft schimmerndes, kakaofarbenes Lipgloss akzentuierte ihre vollen Lippen. Ihr haftete der schwere, süße Geruch nach Schwarzwälder Kirschtorte an, gemeinsam mit einer Wolke teuren Parfüms.
Alle heißt doch wohl: du und Dad und Max, oder? Rob ist nicht da.“ Sonst hätten sich ihre Hände an ein Glas Wodka geklammert, und sie würde vor Missbilligung nur so strotzen statt mich anzustarren, als ob das Schicksal der gesamten Nation gebürtiger Vampire einzig und allein auf meinen Schultern ruhte.
„Er ist da.“ Sie winkte mir hereinzukommen. „Und Nina auch.“
„Aber sie sind doch gerade erst gekommen, oder?“ Was so viel heißen sollte wie: Sie hatten doch wohl noch keine Zeit, die gute Nachricht zu verbreiten?
„Nein, sie sind schon eine ganze Weile hier. Rob übt mit deinem Vater schon seit einer halben Stunde Einputten.“
„Dann warten sie sicher auf den geeigneten Moment, um es dir zu erzählen.“
„Mir was zu erzählen? Dass sie zusammenziehen?“
„Sie ziehen zusamm-... Augenblick mal. Du weißt es schon?“
„Natürlich weiß ich es, Liebes. Rob hat es gleich in dem Moment verkündet, als er hereinkam.“
„Und?“
„Und ich bin sicher, sie werden fabelhaft miteinander auskommen, bis die erste große Verliebtheit vorbei ist.“
Sie winkte ab. „Dann wird er sich natürlich von ihr trennen und zur nächsten Frau übergehen, wie er es immer tut, weil er noch viel zu jung ist, um etwas Ernsthaftes anzufangen.“ Sie nagelte mich mit einem Blick fest. „Was hingegen dich und Remy betrifft . . ihr beide schreit förmlich nach Ewigkeit.“ Sie lächelte.
„Komm jetzt.“ Sie bedeutete mir mit einer Geste, das Foyer zu durchqueren und das Wohnzimmer zu betreten. „Dein Vater und ich möchten heute Abend mal etwas Neues ausprobieren, um der Jagd ein wenig mehr Würze zu verleihen.“
Das Gefühl der Panik, das mich wieder mal fest im Griff hatte, setzte bei der Aussicht, mein ausgeblutetes Bankkonto vielleicht wieder auffüllen zu können, kurz aus. „Gibt es heute mal Geld statt Urlaubstage für den Sieger?“
„Unsinn. Dein Vater ist für so etwas viel zu geizig.“ Ihre Augen leuchteten aufgeregt. „Das hier ist viel besser.“
„Dad hat sich freiwillig gemeldet, die Beute zu spielen?“
Die „Beute“ trug eine Trillerpfeife und riskierte massive Schäden an Leib und Schuhen, auf der Flucht vor einer Handvoll urlaubshungriger Vampire. Meistens losten wir, und meistens zog ich den Kürzeren. „Dann müssen wir heute nicht losen?“
„Unsinn. Dein Vater hasst es, die Beute zu spielen.“ Ihre Augen blitzten aufgeregt. „Viel besser.“
Mein Herz schlug schneller. „Wir lassen das mit der richtigen Jagd sein und veranstalten stattdessen eine simulierte Jagd auf Dads Xbox?“
„Besser.“
„Was könnte besser sein, als gemütlich im Wohnzimmer zu sitzen, statt auf Armani-Schuhen durch die Wälder zu latschen?“
„Pärchenjagd“, verkündete sie.
Mir sank der Magen in die Kniegegend. „Pärchen?“
Sie nickte. „Dein Vater und ich sind ein Team. Max tut sich mit irgend so einer Menschenfrau zusammen, die er mitgebracht hat. Sie haben sich im Internet kennengelernt. Rob bekommt Nina.
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