04 - Mein ist die Rache
Labormantel blähte sich wie ein Cape. Erst als ihm St. James' Hinken auffiel, lief er, jedoch sichtlich widerstrebend, etwas langsamer.
Malverd brach sein Schweigen erst, als sie im Lift standen.
»In den letzten Tagen geht es hier wirklich chaotisch zu«, bemerkte er. »Aber ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Ich dachte mir schon, daß da mehr dahintersteckt, als es zuerst den Anschein hatte.«
»Dann erinnern Sie sich an Michael Cambrey?«
Malverd sah ihn verständnislos an.»Michael Cambrey? Aber sie sagte doch -« Er machte eine vage Handbewegung in Richtung Empfang und runzelte die Stirn. »Worum handelt es sich eigentlich?«
»Ein Mann namens Michael Cambrey hat in den letzten Monaten mehrmals Ihre Testabteilung fünfundzwanzig aufgesucht. Er wurde am vergangenen Freitag ermordet.«
»Also, ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen da weiterhelfen kann.« Malverd war sichtlich verwirrt. »Fünfundzwanzig ist eigentlich nicht meine Abteilung. Ich bin nur vorübergehend eingesprungen. Was für eine Information suchen Sie denn?«
»Alles, was Sie - oder andere - mir über den Grund für Cambreys Besuche hier sagen können.«
Die Aufzugstüren öffneten sich. Malverd trat nicht sogleich hinaus. Er schien zu überlegen, ob er überhaupt mit St. James sprechen oder ihn kurz abfertigen und an seine Arbeit zurückkehren wolle.
»Hat dieser Todesfall denn mit Islington zu tun? Mit einem Produkt des Unternehmens?«
»Eben darüber bin ich mir nicht im klaren«, antwortete St. James.
»Polizei?«
Er nahm wieder eine seiner Karten heraus. »Forensische Wissenschaften.«
Malverd schien milde interessiert. Zumindest verriet sein Gesichtsausdruck ein gewisses kollegiales Entgegenkommen.
»Tja, dann wollen wir mal sehen, was wir tun können«, sagte er. »Bitte, kommen Sie.«
Er führte St. James durch einen Korridor, weit bescheidener als das Foyer und die Verwaltungsbüros unten. Auf beiden Seiten befanden sich Laborräume, in denen Techniker auf hohen Hockern an ihren Arbeitstischen saßen. Malverd nickte im Vorübergehen diesem oder jenem Kollegen zu. Einmal zog er irgendeinen Plan aus seiner Tasche, warf einen Blick darauf, sah auf seine Uhr und fluchte. Er begann schneller zu gehen. In einem zweiten, quer verlaufenden Korridor öffnete er schließlich eine Tür.
»Das ist Fünfundzwanzig«, sagte er.
Sie traten in einen großen, rechteckigen Raum, der von Neonröhren taghell erleuchtet wurde. Auf einem Arbeitstisch, der eine ganze Wand einnahm, standen mindestens sechs Inkubatoren, zwischen ihnen Zentrifugen, manche offen, andere geschlossen, Mikroskope und Meßgeräte. In den Glasvitrinen rundherum reihten sich Hunderte von Flaschen mit Chemikalien, Becher, Filtrierflaschen, Kolben, Reagenzgläser, Pipetten. Mitten in diesem beeindruckenden Durcheinander wissenschaftlicher Geräte saßen zwei Laboranten und kopierten die roten Digitalziffern, die an einem der Inkubatoren aufblinkten. Eine Frau arbeitete an einem Glasbehälter, in dem irgendwelche Kulturen gezogen wurden. Vier andere Techniker saßen über große Mikroskope gebeugt.
Einige der Leute blickten von der Arbeit auf, als Malverd St. James zu einer geschlossenen Tür am hinteren Ende des Labors führte. Als Malverd einmal kurz und energisch an die Tür klopfte und dann eintrat, ohne auf eine Aufforderung zu warten, verloren auch die wenigen, die ihm Aufmerksamkeit gezollt hatten, das Interesse.
Eine Sekretärin, die so gehetzt wirkte wie Malverd, drehte sich, als sie eintraten, vor einem Aktenschrank herum. Ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Computer und ein Laserdrucker engten sie von allen Seiten ein.
»Für Sie, Mr. Malverd.« Sie griff nach einem kleinen Bündel Zettel, die mit einer Heftklammer zusammengehalten waren. »Lauter Anrufe. Ich weiß nicht, was ich den Leuten sagen soll.«
Malverd blätterte die Zettel durch und warf sie auf ihren Schreibtisch. »Vertrösten Sie sie«, sagte er. »Ich habe keine Zeit zum Telefonieren.«
»Aber -«
»Führen Sie hier oben einen Terminkalender, Mrs. Courtney? Sind Sie soweit fortgeschritten, oder ist das zuviel erwartet?«
Ihre Lippen wurden weiß, obwohl sie tapfer lächelte und einen höflichen Versuch machte, seine Fragen als Scherz aufzufassen, was bei Malverds Ton einigermaßen schwierig war. Sie drängte sich an ihm vorbei und ging hinter ihren Schreibtisch, wo sie einen Lederband herausnahm, den sie ihm reichte. »Wir führen über alle Besuche und Termine Buch, Mr. Malverd. Sie
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