04 - Mein ist die Rache
gegenüber an die Tür gedonnert und gesagt, sie sollten gefälligst nicht so laut sein, und Sasha hatte geschrien und gekratzt und war ganz außer Atem gewesen - das heißt, sie hatte gar nicht geschrien, sondern sie hatte gelacht. Ihr Kopf hatte an die Wand geschlagen, und es war ihm nicht gekommen, es war nicht gegangen, aber das hatte überhaupt nichts ausgemacht, weil sie beide sowieso auf Wolke sieben gewesen waren.
Genau. Gestern abend war das gewesen. Sie würde schon wiederkommen, wenn sie den Stoff hatte.
Er zupfte mit den Zähnen an einer rissigen Stelle eines Fingernagels.
Und was, wenn sie keinen Stoff kriegte? Heute nachmittag hatte sie noch große Töne gespuckt, von einem Haus in Hampstead, wo jeder kaufen konnte, wenn er das nötige Kleingeld hatte. Wo blieb sie also so lange?
Peter grinste, schmeckte das Blut, wo er die Haut aufgerissen hatte. Kontrolle, dachte er. Er atmete tief ein. Er streckte sich. Er beugte sich mit gestreckten Knien zu seinen Zehen hinunter.
War sowieso unwichtig. Er war nicht abhängig. Er konnte jederzeit aufhören. Das wußte jeder. Man konnte jederzeit aufhören. Aber trotzdem, wenn er was genommen hatte, war er wer. Dann war er der King.
Die Tür hinter ihm öffnete sich. Er fuhr herum und sah, daß Sasha zurück war. An der Tür blieb sie stehen, schob sich das strähnige Haar aus dem Gesicht und starrte ihn mißtrauisch an. Sie erinnerte ihn an ein in die Enge getriebenes Tier.
»Hast du's?« fragte er.
Etwas zuckte über ihr Gesicht. Sie stieß die Tür mit dem Fuß zu und ging zum Sofa. Sie setzte sich, wandte ihm den Rücken zu, hielt den Kopf gesenkt.
»Wo hast du's?«
»Ich hab' nicht - ich konnte nicht ...« Ihre Schultern begannen zu zucken.
In einem Augenblick verlor er alle Kontrolle.
»Was konntest du nicht? Verdammt noch mal, was läuft hier eigentlich?«
Er stürzte zum Fenster und schob vorsichtig den Vorhang zurück. Mist, hatte sie's vielleicht vermasselt? Waren ihr vielleicht die Bullen gefolgt? Er spähte zur Straße hinaus. Dort war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Da wartete kein getarntes Polizeiauto, dessen Insassen mit Argusaugen das Haus beobachteten. Kein Lieferwagen stand verboten am Bordstein geparkt. Kein Kriminalbeamter in Zivil hing vor dem Haus herum. Alles war wie sonst.
Er drehte sich nach ihr um. Sie beobachtete ihn über die Schulter. Ihre Augen - eigenartig gelbbraun wie die eines Hundes - waren wäßrig, rotgerändert. Ihre Lippen zitterten. Er wußte Bescheid.
»Gott verdammich!« Er flog durch das Zimmer, stieß sie zur Seite und packte ihre Tasche. Er schüttete den Inhalt auf das Sofa und durchsuchte die Sachen mit fliegenden Händen. »Wo zum Teufel ...? Wo ist der Stoff? Sasha? Wo hast du ihn? Wo?«
»Ich habe ihn nicht ...«
»Wo ist dann die Kohle?« Sirenen kreischten in seinem Kopf. Die Wände stürzten auf ihn ein. »Verdammt noch mal, was hast du mit dem Geld gemacht?«
Sasha fuhr hoch, sprang vom Sofa auf, schoß durch das Zimmer. »Ach, so ist das?« schrie sie. »Dir geht's nur um die Kohle. Was mit mir ist, interessiert dich überhaupt nicht. Oder hast du dir vielleicht Sorgen um mich gemacht? Keine Spur, dir geht's ja nur ums Geld.« Sie riß den Ärmel ihres fleckigen dunkelroten Pullovers zurück. Tiefe Kratzer glühten in der gelblichen Haut. Die Anfänge blauer Flecken zeigten sich. »Schau her! Ich bin überfallen worden, du Schwein!« »Du bist überfallen worden?« Seine Stimme stieg ungläubig in die Höhe. »Erzähl mir bloß nicht so'n Mist. Was hast du mit meinem Geld gemacht?«
»Das hab' ich dir eben gesagt!« brüllte sie ihn an, »Dein Scheißgeld ist mir auf dem Scheißbahnsteig im Scheiß-U-Bahnhof geklaut worden. Ich hab' die letzten zwei Stunden mit den gottverdammten Bullen in Hampstead verbracht. Ruf sie doch an, wenn du's mir nicht glaubst.« Sie begann zu schluchzen.
Er konnte es nicht glauben. Er wollte nicht. »Mensch, du kannst aber auch gar nichts, oder?«
»Nein, kann ich nicht. Und du auch nicht. Wenn du's am Freitagabend selbst geholt hättest, wie du gesagt hast ...«
»Ich hab' dir's doch erklärt, verdammt noch mal. Wie oft muß ich's dir noch sagen. Es hat nicht geklappt.«
»Und darum mußte ich los, stimmt's?«
»Hab' ich dich vielleicht gezwungen?«
»Genau. Aber ganz genau.« Ihr Gesicht zuckte vor Wut, während sie ihm ihre Anklagen ins Gesicht schleuderte. »Du hattest ja eine Scheißangst, daß sie dich schnappen könnten. Und drum hast du mich
Weitere Kostenlose Bücher