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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie mit mehreren Kämmen recht provisorisch hochgesteckt hatte, strebte nach Freiheit. Gereizt vor sich hinmurmelnd, hob sie die Hände, um es wieder festzustecken.
    »Weißt du«, sagte sie statt einer Begrüßung zu ihm, »ich habe mir immer gewünscht, ich wäre eine dieser Frauen, von denen es immer heißt, sie hätten Haar wie Seide. Du weißt schon, was ich meine. So der Typ wie Estella Havisham.«
    »Hatte Estella Havisham Haar wie Seide?« Er schob ihre Hand weg und kümmerte sich selbst um die widerspenstigen Strähnen.
    »Bestimmt. Kannst du dir vorstellen, daß der arme Pip sich unsterblich in eine Frau verliebt hätte, die nicht Haar wie Seide hatte? Aua!«
    »Hat's geziept?«
    »Ein bißchen. Diese Haare sind wirklich zum Heulen.«
    »So, jetzt sieht es sehr ordentlich aus. Wenigstens vorübergehend.«
    »Immerhin ein Trost.«
    Sie lachten beide und sammelten gemeinsam Debs Sachen ein, die auf dem Rasen verstreut waren. Sie war mit dem Stativ, dem Fotokoffer, einer Einkaufstüte mit Obst, einem bequemen alten Pullover und ihrer Schultertasche losgezogen. »Ich hab' dich von meinem Büro aus gesehen«, sagte Lynley zu ihr. »Woran arbeitest du? Hommage an Mrs. Pankhurst?«
    »Nein, ich hab' gewartet, daß das Licht oben auf die Schrift fällt. Ich wollte einen Diffraktionseffekt erreichen. Leider sind mir die Wolken dazwischengekommen. Und als sie sich endlich verzogen, war die Sonne auch weg.«
    Sie gingen langsam zum Yard zurück.
    »Ich habe mir Freitag und Montag freigenommen«, erzählte Lynley. »Wir könnten nach Cornwall fliegen. Ich meine, wenn du nichts vorhast, könnten wir ...« Er brach ab, verwundert über seine Unsicherheit.
    »Nach Cornwall?« Deborahs Stimme war unverändert, aber sie hatte sich von ihm abgewandt, so daß er ihr Gesicht nicht sehen konnte.
    »Ja. Nach Howenstow. Ich finde, es ist Zeit, meinst du nicht? Ich weiß, du bist eben erst nach Hause gekommen, und es ist vielleicht ein bißchen überstürzt, aber du kennst ja noch nicht einmal meine Mutter.«
    »Ja«, sagte Deborah nur.
    »Wenn du mitkommst, könnte dein Vater sie auch gleich kennenlernen. Es ist doch an der Zeit.«
    Sie blickte stirnrunzelnd zu ihren abgestoßenen Schuhen hinunter und sagte nichts.
    »Deb, es läßt sich nicht ewig vermeiden. Ich weiß, was du denkst. Zwischen den beiden sind Welten. Sie werden sich nichts zu sagen haben. Aber das stimmt nicht. Die beiden werden sich bestens verstehen. Glaub mir.«
    »Aber er wird nicht wollen, Tommy.«
    »Ich weiß, darum habe ich mir da schon etwas überlegt. Ich habe Simon gebeten mitzukommen. Es ist schon alles abgemacht.«
    Er erwähnte keine Einzelheiten seines kurzen Zusammentreffens mit St. James und Helen Clyde im Ritz. Er sagte nichts von St. James' schlecht verhohlenem Widerstreben und Helens eiliger Entschuldigung. Berge von Arbeit, hatte sie gesagt. Sie würden im kommenden Monat wahrscheinlich jedes Wochenende durcharbeiten müssen.
    Helens Ablehnung war zu prompt gekommen, um glaubhaft zu sein. Dies und ihr Bestreben, St. James' Blick zu meiden, während sie sprach, sagte Lynley klar, wie wichtig es beiden war, Cornwall fernzubleiben. Selbst wenn es sein Wille gewesen wäre, sich etwas vorzumachen, hätte er es angesichts ihres Verhaltens nicht tun können. Er wußte, was es bedeutete. Aber er brauchte sie Cotters wegen in Cornwall, und sein Hinweis auf Cotters Hemmungen hatte die beiden doch noch für den Ausflug gewonnen. Niemals hätte St. James Joseph Cotter im Stich gelassen und ihn vier Tage lang peinliches Unbehagen unter Menschen leiden lassen, denen er sich nicht zugehörig fühlte. Und niemals hätte Helen St. James allein ein Wochenende verbringen lassen, das, wie sie klar sah, für ihn eine einzige Qual werden würde. Lynley wußte, daß er sie beide benutzt hatte. Nur um Cotters willen, sagte er sich und weigerte sich zu prüfen, welche anderen - weit zwingenderen - Gründe er hatte, in Howenstow mit großer Begleitung anzureisen.
    Deborah betrachtete eingehend die silbernen Lettern auf der Drehtür des Yard. »Simon kommt mit?« fragte sie.
    »Und Helen und Sidney auch.«
    Lynley wartete auf eine weitere Reaktion von ihr. Als außer einem kaum wahrnehmbaren Nicken nichts folgte, sagte er sich, daß sie nun endlich dicht genug an dem Thema waren, das sie so lange gemieden hatten. Es stand unberührt zwischen ihnen, mußte aber ein für allemal beseitigt werden. Er war entschlossen, das jetzt zu tun.
    »Hast du ihn gesehen,

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