04 - Mein ist die Rache
losgeschickt. Reg dich jetzt bloß nicht auf, weil's nicht geklappt hat.«
Peter hätte sie am liebsten ins Gesicht geschlagen. Er mußte Zeit gewinnen, um sich zu beruhigen, um zu überlegen, was zu tun war.
»Mann, Sasha, du weißt ja immer alles ganz genau. Du hast den totalen Durchblick.«
»Klar, dir hätt's nichts ausgemacht, wenn sie mich geschnappt hätten. Was wär das schon groß gewesen? Sasha Nifford. Ein Niemand. Über die schreiben die Zeitungen nichts. Aber wehe, der ehrenwerte Peter hätte eins auf die süßen kleinen Fingerchen gekriegt.« »Halt den Mund!«
»Wehe, der ehrenwerte Peter hätte den guten Namen der Familie in den Dreck gezogen.«
»Ich hab' gesagt, du sollst die Schnauze halten.«
»Man stelle sich das vor, dreihundert Jahre gesetzestreuer Lynleys in Verruf gebracht! Mami Kummer gemacht. Und dem großen Bruder bei der Kripo in Scotland Yard auch noch!«
»Verdammt noch mal, halt endlich die Schnauze.«
Unter ihnen klopfte jemand an die Decke. Sasha starrte ihn noch immer trotzig an, Haltung und Gesichtsausdruck eine einzige Herausforderung an ihn, ihr zu widersprechen. Er konnte es nicht.
»Laß uns doch mal in Ruhe überlegen«, murmelte er. Er sah, daß seine Hände zitterten - die Gelenke waren schweißnaß -, und er schob sie in die Hosentaschen. »Wir haben immer noch Cornwall.«
»Cornwall?« fragte Sasha verblüfft. »Was zum Teufel ...«
»Ich hab' hier nicht genug Geld.«
Sie riß den Mund auf. »Das glaub ich nicht. Wenn du keine Kohle hast, dann hol dir doch von deinem Bruder einen Scheck. Der schwimmt im Geld. Das weiß jeder.«
Peter ging wieder ans Fenster und kaute auf seinem Daumen.
»Aber das tust du nicht, was?« fuhr Sasha fort. »Du würdest dich nie trauen, ihn um Geld zu bitten. Wir müssen bis nach Cornwall runter. Du machst dir schon in die Hose, wenn du dir nur vorstellst, daß Thomas Lynley dir auf die Schliche kommen könnte. Und wenn schon? Ist er vielleicht dein Aufpasser? Mensch, was bist du eigentlich für'n kleiner Schisser, daß du -« »Halt die Klappe.«
»Fällt mir nicht ein. Wozu müssen wir überhaupt nach Cornwall? Was gibt's denn da?«
»Howenstow«, sagte er kurz.
»Howenstow?« wiederholte sie ungläubig. »Ach, du willst heim zu Mami, hm? Klar, hätt' ich mir ja denken können, daß dir das als nächstes einfällt. Wenn du nicht gerade am Daumen lutschst. Oder mit dir selber spielst.«
»Du gemeines Luder!«
»Na komm schon! Schlag mich doch, du Schwächling. Es juckt dich doch schon die ganze Zeit in den Fingern.«
Er ballte die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Ja, er wollte es. Und wie er es wollte. Zum Teufel mit guter Erziehung und Ehrenkodex. Es verlangte ihn danach, sie ins Gesicht zu schlagen, das Blut aus ihrem Mund spritzen zu sehen, ihr die Zähne einzuschlagen und die Nase zu brechen. Statt dessen floh er aus dem Zimmer.
Sasha Nifford lächelte. Sie hielt den Blick auf die geschlossene Tür gerichtet und zählte gewissenhaft die Sekunden, die Peter brauchen würde, um die Treppe hinunterzurennen. Als ausreichend Zeit vergangen war, schlug sie das Laken vor dem Fenster zurück und wartete darauf, ihn aus dem Haus stürzen und die Straße hinunter zum Pub an der Ecke torkeln zu sehen. Er enttäuschte sie nicht.
Sie lachte leise. Es war ein Kinderspiel gewesen, Peter loszuwerden. Sein Verhalten war so berechenbar wie das eines dressierten Schimpansen.
Sie kehrte zum Sofa zurück. Sie nahm die angeschlagene Puderdose, die Peter mit den anderen Dingen aus ihrer Tasche herausgeschüttet hatte, und klappte sie auf. Eine Pfundnote steckte gefaltet unter dem Spiegel. Sie nahm sie heraus, rollte sie zusammen. Mit einem sicheren Griff zog sie ein Plastikbeutelchen aus ihrem Ausschnitt, in dem das Kokain war, das sie in Hampstead gekauft hatte. Pfeif auf Cornwall, sie lächelte.
Der Mund wässerte ihr, als sie eine kleine Menge der Droge auf den Spiegel der Puderdose schüttete und sie mit dem Fingernagel hastig zu Pulver zerdrückte. Mit der zusammengerollten Pfundnote nahm sie es auf und inhalierte gierig. Himmlisch, dachte sie und lehnte sich im Sofa zurück. Unbeschreibliche Ekstase. Besser als Sex. Besser als alles. Seligkeit.
Thomas Lynley war am Telefon, als Dorothea Harriman mit einer Aktennotiz in der Hand sein Büro betrat. Sie wedelte vielsagend mit dem Papier und zwinkerte ihm mit Verschwörerlächeln zu. Lynley beendete das Telefongespräch eilig.
Dorothea Harriman wartete, bis er aufgelegt
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