04 - Mein ist die Rache
Situation, zumal Nancy mich gebeten hat, ihrem Vater zu helfen. Wir müssen aufpassen, St. James, damit wir niemandem auf die amtlichen Zehen steigen.«
»Und wenn doch?«
»Dann ist in London sofort der Teufel los.« Er nickte gute Nacht und ging aus dem Zimmer.
St. James kehrte zu seinen Aufzeichnungen zurück. Er holte sich ein zweites Blatt Papier aus dem Schreibtisch und teilte das wenige, was sie an Informationen besaßen, in Spalten und Kategorien auf. John Penellin. Harry Cambrey. Mark Penellin. Unbekannte Ehemänner. Zeitungsmitarbeiter. Mögliche Motive für das Verbrechen. Die Waffe. Die Todeszeit. Er schrieb und katalogisierte und las und grübelte. Die Wörter begannen vor seinen Augen zu verschwimmen. Er drückte die Finger auf die geschlossenen Lider. Irgendwo knarrte ein Fenster im Wind. Die Tür zum Salon wurde geöffnet und leise wieder geschlossen. Er hob den Kopf bei dem Geräusch. Deborah stand im Schatten.
Sie trug einen elfenbeinweißen Morgenrock aus zartem Stoff. Das flammende Haar hing ihr lose auf die Schultern.
St. James schob seinen Stuhl zurück und stand mühsam auf. Er stützte sich schwer auf den Schreibtisch.
Deborah blickte durch den Salon, dann hinüber in den Alkoven. »Tommy ist nicht hier?«
»Er ist zu Bett gegangen.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich dachte, ich hätte ihn ...«
»Ja, er war vorhin hier.«
»Ach so«, sagte sie.
St. James wartete, daß sie wieder gehen würde, statt dessen jedoch kam sie in den Alkoven und trat zu ihm an den Schreibtisch. Eine Locke ihres Haares verfing sich an seinem Jackenärmel, und er roch den Duft ihrer Haut. Er richtete den Blick auf seine Notizen und nahm wahr, daß auch sie auf das Blatt Papier hinuntersah.
»Willst du dich da engagieren?« fragte sie.
Er neigte sich vor und kritzelte einige absichtlich unleserliche Worte an den Rand des Blattes. Einen Hinweis auf Papiere in Gull Cottage. Den Standort der Telefonzelle. Eine Frage an Mrs. Swann. Irgend etwas. Es spielte keine Rolle. Hauptsache war die Beschäftigung.
»Ich werde versuchen zu helfen«, antwortete er. »Solche Untersuchungen sind allerdings nicht meine Sache, darum weiß ich nicht, inwieweit ich überhaupt helfen kann. Ich habe nur noch einmal rekapituliert, worüber Tommy und ich gesprochen hatten. Nancy. Ihre Familie. Die Zeitung. Und so weiter.«
»Und du hast alles aufgeschrieben. Ja, ich erinnere mich an deine Listen. Du hattest immer Dutzende. Überall.«
»Stimmt.«
»Und Diagramme und Zeichnungen. Ich brauchte nie ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich meine Fotos überall herumliegen ließ, solange du da oben im Labor aus reinem Frust mit Spickern auf deine eigenen Papierberge geworfen hast.«
»Es waren keine Spicker, es war ein Skalpell«, sagte St. James.
Sie lachten beide, aber es war nur ein flüchtiger Moment geteilter Heiterkeit, aus dem Schweigen wuchs. Gelächter weckte zu viele Erinnerungen; Schweigen allein hatte Macht über den Schmerz.
»Ich hatte keine Ahnung, daß Helen mit dir zusammenarbeitet«, sagte Deborah. »Dad erwähnte es nie in seinen Briefen. Ist das nicht merkwürdig? Sidney hat es mir erst heute nachmittag erzählt. Helen ist unglaublich zuverlässig, nicht? Auch heute abend bei Nancy Cambrey im Haus. Ich stand rum wie eine Idiotin, während Nancy zusammenklappte und das Baby brüllte, aber Helen verlor keinen Moment den Überblick und wußte genau, was zu tun war.«
»Ja«, antwortete St. James. »Sie ist eine große Hilfe.«
Deborah sagte nichts mehr. Er wünschte, sie würde gehen. Er begann wieder zu schreiben, sah stirnrunzelnd auf das Blatt, las, was er geschrieben hatte, tat so, als denke er angestrengt darüber nach. Erst als es sich nicht länger vermeiden ließ, sah er schließlich auf.
Im diffusen Licht des Alkovens waren ihre Augen noch dunkler und leuchtender als gewöhnlich. Ihre Haut sah weicher aus, ihre Lippen schienen voller. Sie stand ihm viel zu nahe, und er erkannte schlagartig, daß er nur zwei Möglichkeiten hatte: das Zimmer zu verlassen oder sie in die Arme zu nehmen. Und es war reine Selbsttäuschung, sich einzubilden, es würde eine Zeit kommen, da er vor seinen Gefühlen sicher sein würde. Er schob seine Papiere zusammen, murmelte höflich gute Nacht und wandte sich zum Gehen.
Erst als er schon halb durch den Salon war, sagte sie:
»Simon, ich habe diesen Mann schon einmal gesehen.«
Perplex drehte er sich herum.
»Ich meine, den Mann von heute abend. Mick Cambrey. Ich habe ihn
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