04 - Mein ist die Rache
schwang sich, fleckig und zerkratzt jetzt, ein solide gearbeiteter Mahagonitresen mit einer Fußleiste aus Messing, die von Tausenden von Füßen verbogen und verbeult war. Gleich alt und abgenützt waren Tische und Stühle, und die Zimmerdecke über ihnen hing so tief durch, daß sie jeden Tag durchzubrechen drohte.
Als St. James und Helen morgens kurz nach Öffnung in das Pub traten, trafen sie dort nur einen großen roten Kater an, der faul im Erkerfenster lag, und eine Frau, die hinter dem Tresen Gläser trocknete. Sie nickte ihnen zu, ohne sich in ihrer Arbeit stören zu lassen. Ihr Blick folgte Helen, die zum Fenster ging, um die Katze zu streicheln.
»Seien Sie lieber vorsichtig«, mahnte sie. »Nicht daß er Sie kratzt. Er kann ganz schön ekelhaft sein, wenn er will.«
Als wolle er sie Lügen strafen, streckte sich der Kater gähnend und bot Helen seinen runden Bauch zum Kraulen dar. Die Frau lachte kurz und begann Gläser auf ein Tablett zu stapeln.
St. James ging zu ihr. Wenn das Mrs. Swann war, schien sie aus dem Stadium des häßlichen Entleins nie herausgekommen zu sein. Nichts Schwanenhafte s war an ihr. Dick und behäbig, mit kleinen Augen und drahtigem grauen Haar, war sie ein einziger Widerspruch zu ihrem Namen.
»Was darf's sein?« fragte sie, während sie weiter abtrocknete.
»Ist noch ein bißchen früh für mich«, antwortete St. James.
»Wir sind hergekommen, weil wir Sie gern einen Moment sprechen möchten. Wenn Sie Mrs. Swann sind.«
»Und wer sind Sie?«
St. James stellte sich und Helen vor, die sich neben der Katze auf das Fensterbrett gesetzt hatte. »Sie haben sicher schon gehört, daß Mick Cambrey ermordet worden ist«, sagte er.
»Das weiß schon das ganze Dorf. Und wie er zugerichtet worden ist, auch.« Sie lächelte. »Tja, da hat der gute Mick gekriegt, was er verdient hat. Hat ihm doch glatt einer sein Lieblingsspielzeug genommen. Das wird eine Sauferei geben heute abend, wenn die Ehemänner zum Feiern hierher kommen.«
»Mick hatte also Beziehungen zu Frauen hier am Ort?«
Mrs. Swann schob ihr Geschirrtuch in ein Glas und rubbelte energisch. »Mick Cambrey hatte mit jeder, die ihn gelassen hat, 'ne Affäre.« Damit drehte sie sich nach den leeren Regalen hinter dem Tresen um und begann die Gläser hineinzustellen. Was sie damit zu verstehen geben wollte, war klar: Mehr hatte sie nicht zu sagen.
»Eigentlich geht es uns um Nancy Cambrey«, bemerkte Helen. »Wir sind vor allem ihretwegen zu Ihnen gekommen.«
Mrs. Swanns Schultern lockerten sich ein wenig, doch sie drehte nicht einmal den Kopf, als sie sagte: »Dumme Trine, diese Nancy. So einen Kerl zu heiraten!« Ihre drahtigen Locken zitterten vor Verachtung.
»Ja, das arme Ding«, sagte Helen freundlich. »Sie ist in einer schrecklichen Situation. Erst wird ihr Mann ermordet, und nun verhört die Polizei auch noch ihren Vater.«
Das weckte Mrs. Swanns Interesse wieder. Die Hände in die Hüften gestemmt, drehte sie sich herum. Ihr Mund öffnete und schloß sich wieder. Öffnete sich wieder: »John Penellin?«
»Ja. Nancy hat der Polizei gesagt, sie hätte gestern abend mit ihrem Vater telefoniert, er könne also gar nicht in Nanrunnel gewesen sein und Mick getötet haben. Aber die Polizei ...«
»Sie hat auch mit ihm telefoniert«, unterbrach Mrs. Swann.
»Das weiß ich. Sie hat telefoniert. Sie hat sich extra zehn Pence von mir geliehen. Sie selbst hat ja keinen Penny in der Tasche. Dank Mick.« Sie erwärmte sich für dieses nebensächliche Thema. »Immer hat er ihr Geld genommen. Immer. Ihr Geld, das ihres Vaters, ganz gleich, er nahm, was er kriegen konnte. War immer scharf aufs Geld. Er wollte den großen Macker spielen.«
»Sind Sie sicher, daß Nancy mit ihrem Vater gesprochen hat?« fragte St. James. »Nicht vielleicht mit jemand anderem?«
Mrs. Swann nahm Anstoß an St. James' Zweifeln. Sie stocherte ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger vor dem Gesicht herum, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Natürlich war's ihr Vater«, erklärte sie. »Ich hab's so satt gekriegt, auf sie zu warten - sie war bestimmt zehn oder fünfzehn Minuten weg -, daß ich am Ende selbst zur Zelle gelaufen bin und sie rausgeholt hab'.«
»Wo ist die Zelle?«
»Vor dem Schulhof. Gleich an der Paul Lane.«
»Konnten Sie sehen, wie sie telefonierte? Konnten Sie die Zelle sehen?«
Mrs. Swann zählte zwei und zwei zusammen und gelangte zu einem schnellen Ergebnis. »Sie glauben doch nicht vielleicht, daß Nancy Mick
Weitere Kostenlose Bücher