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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Und Micks Vater?«
    Lynley trank einen Schluck von seinem Brandy. »Harry gehört hier gewissermaßen zum Lokalkolorit. Er trinkt wie ein Loch und raucht wie ein Schlot. Hat ein Mundwerk wie ein Hafenarbeiter. Wie ich von Nancy hörte, hatte er im vergangenen Jahr eine Herzoperation. Möglich, daß er sich daraufhin verändert hat. Der Not gehorchend.«
    »War die Beziehung zu seinem Sohn gut?«
    »Früher, ja. Wie es in letzter Zeit war, kann ich nicht sagen. Mick fing beim Spokesman an, ehe er sich als selbständiger Journalist versuchte.«
    »Kanntest du Mick, Tommy?«
    »Fast mein Leben lang. Wir waren im selben Alter. Ich war früher sehr viel in Nanrunnel. In den Ferien haben wir uns immer gesehen.«
    »Ihr wart Freunde?«
    »Mehr oder weniger. Wir haben viel zusammen unternommen - getrunken, gesegelt, geangelt, und in Penzance sind wir gemeinsam den Mädchen nachgestiegen. Als Teenager. Nachdem ich mit dem Studium angefangen hatte, sah ich ihn nur noch selten.«
    »Wie war er?«
    Lynley lächelte. »Sein Faible für Frauen, kontroverse Diskussionen und dumme Streiche waren ungefähr gleich ausgeprägt. Jedenfalls, als er jung war. Ich kann mir nicht denken, daß er sich drastisch verändert hat.«
    »Vielleicht finden wir da irgendwo ein Motiv.«
    »Vielleicht.« Lynley berichtete von den Anspielungen auf Micks außereheliche Affären, die John Penellin am Nachmittag gemacht hatte.
    »Eine gute Erklärung für die Verstümmelung«, meinte St. James. »Ein Ehemann, der sich an dem Mann rächt, der ihm Hörner aufgesetzt hat. Aber das erklärt das Tohuwabohu im Wohnzimmer nicht.«
    Müdigkeit drohte ihn zu überwältigen, und er wußte, daß er nicht mehr lange fähig sein würde, sich zu konzentrieren.
    »Tommy, sagte deine Mutter nicht etwas von einer Story, an der Mick arbeitete? Hatte nicht Nancy ihr davon erzählt?«
    »Mir hat sie das auch erzählt.«
    »Dann ...«
    »Es ist eine Möglichkeit. So wie Nancy es darstellte, scheint Mick geglaubt zu haben, einem Knüller auf der Spur zu sein. Auf jeden Fall einer Sache, die alles, was sonst im Spokesman erscheint, an Brisanz weit übertraf. Ich glaube sogar, er wollte sie überhaupt nicht im Spokesman bringen.«
    »Könnte das seinen Vater geärgert haben?«
    »Bestimmt nicht so, daß er ihn dafür gleich umbringen mußte. Und schon gar nicht kastrieren, St. James.«
    »Vorausgesetzt«, sagte St. James, »der Mord und die Kastration wurden von derselben Person ausgeführt. Wir haben beide gesehen, daß die Kastration erst nach Eintritt des Todes erfolgte.«
    Lynley schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht sehen: Erst ein Mörder - später ein Schlächter.«
    St. James mußte zugeben, daß auch er es eher unwahrscheinlich fand. »Warum glaubst du, hat Nancy diesen Anruf erfunden?« Er wartete nicht auf Lynleys Antwort, sondern dachte laut weiter: »Es sieht nicht gut aus für John Penellin. Man hat ihn beim Haus gesehen -«
    »John hat Mick nicht getötet. Er ist nicht der Typ. Er hätte das niemals fertiggebracht.«
    »Vielleicht nicht absichtlich.«
    »Überhaupt nicht.«
    Lynleys Worte enthielten ein hohes Maß an Gewißheit. St. James hielt dem entgegen: »Es wäre nicht das erste Mal, daß ein an sich unaggressiver, grundanständiger Mensch zur Gewalt getrieben wurde. Wir kennen doch beide diese Fälle. Gewalt ohne Absicht - der plötzliche Schlag von blinder Wut geleitet: So etwas kommt viel häufiger vor als der arglistig geplante Mord. Und John war am Tatort, Tommy. Das muß eine Bedeutung haben.«
    Lynley stand auf. Er streckte sich, geschmeidig und leicht.
    »Ich spreche morgen mit John. Wir werden das klären.«
    St. James drehte sich nach ihm um, erhob sich aber nicht.
    »Und wenn die Polizei nun der Meinung ist, den Richtigen gefunden zu haben? Was, wenn die Indizien für eine Verhaftung ausreichen? Ein Haar von Penellin an der Leiche, seine Fingerabdrücke im Zimmer, ein Tropfen von Micks Blut am Aufschlag seiner Hose oder am Ärmel seines Jacketts. Wenn er heute abend in dem Zimmer war, werden sich Indizien finden, die noch schwerer wiegen als die Aussagen der Nachbarn, die ihn gesehen und einen Streit gehört haben. Was willst du dann tun? Weiß Boscowan, daß du bei der Kripo bist?«
    »Ich hänge das nicht an die große Glocke.«
    »Wird er den Yard um Unterstützung bitten?«
    Lynley antwortete mit offenkundiger Skepsis: »Warum sollte er? Wenn er glaubt, den richtigen Mann gefunden zu haben.« Er seufzte. »Es ist eine verdammt unangenehme

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