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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zu.
    »Hat's Ihnen wohl gegeben, hm?« fragte er, während er den Schlauch auf die Windschutzscheibe des Rovers richtete.
    »Wer hat mir was gegeben?« fragte Lynley.
    Jasper prustete. »Wir haben's heut morgen schon alle gehört«, sagte er. »Mord, Polizei und John bei der Kripo.« Er spie aufs Pflaster und polierte mit einem Lappen die Kühlerhaube des Wagens. »John war in Nanrunnel, und Nancy lügt wie gedruckt - das hätt' sich keiner gedacht.«
    »Nancy lügt?« fragte Lynley. »Wissen Sie das genau, Jasper?«
    »Na klar doch«, erwiderte er. »Ich war um halb zehn drüben am Verwalterhaus. Und dann war ich bei der Mühle. Kein Mensch war zu Hause. Klar lügt sie.«
    »Bei der Mühle? Sie meinen, die Mühle am Wäldchen? Hat die Mühle etwas mit Mick Cambreys Tod zu tun?«
    Jaspers Gesicht verschloß sich bei diesem Frontalangriff. Zu spät erinnerte sich Lynley der Vorliebe des Alten, bei seinen Geschichten mit Andeutung und Innuendo zu spielen. Statt seine Fragen zu beantworten, wählte Jasper seine eigenen wunderlichen Pfade, das Gespräch weiterzuführen.
    »John hat Ihnen bestimmt nichts davon erzählt, wie Nancy die ganzen Kleider zerschnitten hat, oder?«
    »Nein. Davon hat er nichts gesagt«, antwortete Lynley und schob als Köder nach: »Es wird nicht wichtig sein, sonst hätte er es sicher erwähnt.«
    Jasper schüttelte bedenklich den Kopf über die Torheit, eine solche Information als unwichtig abzutun. »In Fetzen hat sie sie geschnitten«, sagte er. »Hinter ihrem kleinen Haus. John und ich, wir haben sie zufällig dabei erwischt. Ganz zufällig, weil wir gerade vorbeigekommen sind. Und geheult hat sie wie ein Schloßhund, wie sie uns gesehen hat. Das ist wichtig, wenn Sie mich fragen.«
    »Aber sie hat nicht mit euch gesprochen?«
    »Keinen Ton hat sie gesagt. Sie hat nur dagesessen und die ganzen feinen Kleider zerschnippelt. John hat 'n Anfall gekriegt, wie er sie gesehen hat. Er ist ins Haus gerannt und wollte sich Mick schnappen. Ja. Aber Nance hat ihn aufgehalten. Sie hat sich an seinen Arm gehängt, bis John wieder Dampf abgelassen hatte.«
    »Es waren wohl die Kleider einer anderen Frau«, meinte Lynley nachdenklich. »Jasper, weiß man, wer die Frau war, mit der Mick was hatte?«
    »Frau?« fragte Jasper geringschätzig. »Frauen. Ganze Scharen müssen's gewesen sein nach dem, was Harry Cambrey sagt. Praktisch jedesmal, wenn der ins Anchor and Rose gekommen ist, und das war oft, sag' ich Ihnen, hat er sich hingesetzt und jeden, der's hören wollte, gefragt, was man denn dagegen machen soll, daß Mick dauernd fremdgeht. ›Sie hält ihn eben viel zu knapp‹, hat er immer erzählt. ›Was soll denn ein Mann tun, wenn seine Frau ihn so knapphält?‹«
    Jasper lachte spöttisch, trat ein paar Schritte vom Wagen zurück und spritzte die Vorderräder ab. »So, wie's Harry dargestellt hat, hat Nancy seit der Geburt von dem Kind nur noch die Beine zusammengekniffen. Und der arme Mick hat gelitten wie die Sau, weil er nicht wußte, wohin mit seinem Saft. ›Was soll ein Mann in so 'ner Lage tun?‹ hat Harry immer gefragt. Und Mrs. Swann, die hat's ihm gesagt, aber ...« Jasper schien sich plötzlich bewußt zu werden, mit wem er da seinen vertraulichen kleinen Schwatz hielt. Er hörte auf zu grinsen. Er straffte die Schultern, nahm seine Mütze ab und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar.
    »Jeder konnte sehen, wo das Problem war. Mick wollte nicht die Verantwortung für eine Familie.«
    Er spie nochmals aus, um das Ende der Diskussion zu pointieren.

    St. James und Helen hörten Harry Cambrey schon, ehe sie ihn sahen. Während sie die schmale Treppe hinaufstiegen, mit eingezogenen Köpfen, um sich nicht an den Deckenbalken anzustoßen, vernahmen sie von oben Möbelrücken, dann das Krachen einer Schublade, die mit Schwung zugestoßen wurde, und darauf einen wütenden Fluch. Als sie klopften, wurde es hinter der Tür mucksmäuschenstill. Dann hörten sie Schritte. Die Tür wurde aufgerissen. Cambrey musterte sie. Sie musterten ihn.
    Bei seinem Anblick fiel St. James sogleich ein, daß er im Jahr zuvor eine Herzoperation überstanden hatte. Sie schien ihn schwer mitgenommen zu haben. Das Gesicht über dem stark hervorspringenden Adamsapfel war eingefallen, und der gelbliche Teint ließ ein Leberleiden vermuten. An den aufgesprungenen Lippen hatte er blutverkrustete Stellen. Er war ungepflegt, das Gesicht nicht rasiert, das graue Haar zerzaust, als wäre er in Eile aus dem Bett aufgestanden

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