04 - Mein ist die Rache
weiter.«
Peter lachte, aber er umklammerte mit beiden Händen krampfhaft die Rückenlehne eines Sessels. Sein Gesicht war verzerrt von Zorn und Bitterkeit. »Was mir an diesem Scheißgespräch am besten gefällt, ist, daß du allen Ernstes so tust, als würde dich irgend etwas außer dir selbst interessieren. Howenstow. Mutter. Ich. Was würde es dir schon ausmachen, wenn das Haus hier niederbrennen würde? Was würde es dir ausmachen, wenn wir beide in den Flammen umkämen? Dann wärst du uns endlich los. Du brauchtest nie wieder Theater zu spielen. Den pflichttreuen Sohn. Den liebenden Bruder. Ehrlich, du bist zum Kotzen.«
Peter griff in seine Tasche und zog eine Packung Zigaretten heraus. Aber seine Hände zitterten so stark, daß er sie fallen ließ. Die Zigaretten rollten über den Teppich.
»Peter«, sagte Lynley. »Peter, laß mich dir doch helfen. Du kannst so nicht weitermachen. Das weißt du.«
»Helfen? Ausgerechnet du?« Peter bückte sich und hob die Zigaretten auf. Viermal mußte er ein Streichholz anreißen, ehe es ihm gelang, eine anzuzünden. »Du würdest deinen guten Namen beschmutzen, um mich zu retten? Daß ich nicht lache! Dir ist es doch schnurzegal, was aus mir wird. Hauptsache, dein eigener Name bleibt unbefleckt.«
»Du bist mein Bruder.«
Peter zog tief an seiner Zigarette, ehe er sie in einem Aschenbecher heftig ausdrückte. »Ich pfeif auf deine Bruderliebe.«
Lynley blickte in das erregte Gesicht seines Bruders und versuchte sich einzureden, daß diese Konfrontation nur mit Peters Drogensucht zu erklären war. Aber er wußte sehr gut, daß sein eigenes Verhalten in der Vergangenheit, sein hartnäckiger Stolz und sein Verlangen zu strafen, unvermeidbar zu diesen Haßtiraden geführt hatten. Und er wehrte sich gegen den Wunsch zurückzuschlagen.
»Hör dir doch selbst mal zu, Peter. Sieh dir an, was du mit dir machst. Sieh dir an, was aus dir geworden ist.«
»Nichts ist aus mir geworden!« schrie Peter. »So hab' ich angefangen. So war ich immer.«
»In deinen eigenen Augen vielleicht.«
»In aller Augen. Mein Leben lang hab' ich mich abgestrampelt, um mitzuhalten, aber ich hab's aufgegeben. Hörst du mich? Ich hab's aufgegeben, und ich bin heilfroh darüber. Laß mich also endlich in Ruhe. Fahr heim in dein schmuckes kleines Stadthaus und führ dein schmuckes kleines Leben mit deiner schmucken kleinen Frau. Schaff dir ein paar schmucke Kinderchen an, die deinen Namen weitertragen können, und laß mich in Ruhe. Okay?« Sein Gesicht war knallrot, und er zitterte am ganzen Körper.
»Ja, ich sehe, das ist das Beste.« Lynley ging an seinem Bruder vorbei und sah sich unvermittelt seiner Mutter gegenüber, die mit weißem Gesicht an der Tür stand. Wie lange sie schon dort gestanden hatte, hätte er nicht sagen können.
»Meine Liebe, meine Liebe! Es war einfach ent-zückend!«
Mrs. Sweeney machte eine dramatische Pause nach der ersten Silbe des Wortes, als wolle sie ihre Zuhörer auf die Folter spannen, wie ihr Urteil wohl ausfallen würde, positiv oder negativ. -setzlich, sagte ihr Ton, war ebenso denkbar wie -zückend.
Sie saß St. James direkt gegenüber an der langen Tafel, um die achtzehn Personen versammelt waren, eine interessante Mischung aus Familienmitgliedern der Lynleys, örtlicher Prominenz und Leuten aus der Nachbarschaft, die die Familie seit Jahren kannten.
Mrs. Sweeney beugte sich vor. Kerzenlicht schimmerte auf dem weiten Feld ihres Busens, den ein kühnes Dekollete großzügig enthüllte. St. James fragte sich, was für einen Vorwand sich die gute Mrs. Sweeney ausgedacht hatte, um an diesem Abend ein solches Kleid tragen zu können. Es entsprach entschieden nicht dem, was man im allgemeinen von der Ehefrau eines Geistlichen erwartete, und sie hatte jetzt nicht die Rolle der Beatrice zu spielen. Dann bemerkte er die sehnsüchtigen und erregten Blicke, die Pastor Sweeney - drei Plätze weiter darum bemüht, mit der Gattin des Abgeordneten von Plymouth höfliche Konversation zu machen - seiner Frau zuwarf, und die Frage war geklärt.
Mit erhobener Gabel, an deren Zinken ein Fetzchen Lachspastete hing, fuhr Mrs. Sweeney fort: »Das ganze Ensemble war hingerissen von Ihren Aufnahmen, meine Liebe. Dürfen wir hoffen, daß das zur Tradition wird?« Sie sprach mit Deborah, die rechts von Lynley am Kopf der Tafel saß. »Denken Sie nur - jedes Jahr eine Kollektion von Aufnahmen mit Graf Asherton. Und immer in anderen Kostümen.« Sie lachte zwitschernd. »Die
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