04 Verhaengnisvolles Schweigen
Universität, Sir?«
»Nicht nur. Der Name im Allgemeinen: Oxford.«
Richmond schüttelte den Kopf.
»In Ordnung, das ist im Moment alles.« Banks rieb sich die Augen.
Als Cyril zum Nachmittag abschließen wollte, strömten die beiden Polizisten mit den anderen Gästen auf die Straße. Nun gab es noch eine Menge mehr zum Nachdenken. Nichts von dem, was Banks seit seiner Rückkehr gehört hatte, war auch nur im Ansatz plausibel. Irgendetwas war faul, das spürte er, und der Fall war noch lange nicht geklärt. Er schickte Richmond nach Hause und entschied sich zu einem kurzen, erfrischenden Spaziergang durch den Regen, bevor er wieder ins Präsidium zurückkehrte.
In der Abenddämmerung beobachtete Katie, wie der Regen die Bäche anschwellen ließ, die den SwainsheadBerg hinabrauschten. Das rhythmische Gurgeln des Wassers, das durch ihr halb geöffnetes Fenster drang, beruhigte sie. Während des ganzen Tages war sie vollkommen aufgewühlt gewesen. Jetzt war es nach zehn, Sam war noch im Pub, und Katie grübelte über die Ereignisse des Tages nach.
Wenn sie Sam doch nur erzählt hätte, dass ihr Gast ein Polizist war, wahrscheinlich hergeschickt, um sie auszuspionieren. Dann hätte er alle informiert, und vielleicht hätten sich die Dinge dann anders entwickelt. Aber so musste auch Stephen sterben. Und ihr war erneut ein scheinbarer Fluchtweg abgeschnitten. Hatte der Polizist etwas bemerkt? Katie konnte es sich nicht vorstellen. Eigentlich war auch gar nichts Bemerkenswertes vorgefallen.
Seit am Morgen Stephens Leiche gefunden worden war, war Upper Head wie gelähmt. Nach der Kirche versammelten sich Frauen auf der Straße und tuschelten, sahen hinüber zu dem gotischen Haus und schüttelten die Köpfe. Trotz allem Gerede blickten immer noch alle auf zu den Colliers.
Nachdem Polizei und Ärzte ihre Arbeit erledigt hatten und Stephens Leichnam abtransportiert worden war, waren alle Vorhänge ihrer unheimlichen Villa jenseits des Flusses zugezogen. Ein paar Leute waren zum Kondolieren vorbeigegangen, so auch John Fletcher, den Nicholas unter anderen Umständen ganz sicher auf unfreundliche oder gar unverschämte Art empfangen hätte. Sam war natürlich einer der Ersten gewesen. Jetzt, wo der umgänglichere Stephen gestorben war, wollte er sich wohl gleich mit dem neuen Landfürsten arrangieren. Und bestimmt saßen Sam und John nun rührselig im White Rose und betranken sich. Katie war nicht zum Haus der Colliers hinübergegangen; nach dem Vorfall auf der Party konnte sie Nicholas nicht mehr allein gegenübertreten.
Der Regen tropfte auf das Fensterbrett. Katie tauchte einen Finger hinein und malte Muster auf den weißen Lack. Doch das Wasser blieb perlend auf dem Lack hängen, ganz gleich, was sie damit anstellen wollte. Ein leichter Wind war aufgekommen und wehte den Geruch des Sommerregens herein. Zitternd zog sie ihre graue Lammwollstrickjacke um die Schultern.
Vergiss nie, dass du deinen Sünden nicht entfliehen kannst, kam ihr eine weitere Lieblingsmaxime ihrer Großmutter in den Sinn. Gleichzeitig stellte sich die düstere und schmerzvolle Erinnerung an ein verräterisches Jungenhaar auf ihrem Kragen ein, als sie nach ihrem ersten und einzigen Besuch im kirchlichen Jugendclub nach Hause gekommen war. Irgendwie musste das Haar dort in der Garderobe auf ihren Kragen geraten sein, doch ihre Großmutter hatte es als unwiderlegbaren Beweis für Katies unanständiges und lüsternes Wesen gedeutet. Und dann musste sie den ganzen Abend »nackt in ihrer Schande« in der Ecke der kalten Küche auf dem Steinboden stehen. Solange sie dort stand, sollte sie sich den Satz »Vergiss nie, dass du deinen Sünden nicht entfliehen kannst« aufsagen, aber sie hatte es nicht getan. Das war eine weitere Sünde: Ungehorsam. Davon konnte damals auch der Vikar ein Lied singen, der ein Heim für schwer erziehbare und verdorbene Jugendliche leitete. Das hatte Katie gefreut, denn sie konnte ihn nicht leiden, weil sein Atem nach Toilette roch, wenn er näher kam, und das tat er immer. Sich am Leid anderer zu erfreuen, war eine weitere Sünde gewesen, der sie sich damals schuldig gemacht hatte.
Katie schloss das Fenster und ging ins Bett. Es war nach halb elf. Sam würde wahrscheinlich bald zurück sein. Wenn sie so tat, als wäre sie schon eingeschlafen, dann ...
Aber sie konnte nur schwer einschlafen. Sie dachte wieder an Stephen, an seine keusche Berührung. Wenn er sie mit sich
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