04 Verhaengnisvolles Schweigen
Beatles-Kassette gegen Vivaldis Vier Jahreszeiten aus und drehte die Lautstärke herunter.
»Ich habe gelogen«, platzte Katie heraus, als sie an der Brücke zu John Fletchers Hof vorbeifuhren. Dann sagte sie noch etwas, was Banks nicht genau verstand. Es klang nach: »Wasche Mund mit Seife aus.«
»Was sagten Sie?«, fragte er.
»Ich habe gar nicht Sam gesucht. Ich habe gesehen, wie Sie hineingegangen sind. Ich habe auch gesehen, wie Sie von Nicholas Collier weggegangen sind. Ich habe versucht, meinen ganzen Mut zusammenzunehmen.«
»Für was? Sind Sie sicher, dass Sie keinen Drink brauchen?«
»Ja. Ich trinke keinen Alkohol.«
»Was ist los, Katie?«
»Sie müssen mir helfen«, sagte Katie, starrte auf ihren Schoß und knetete ihre Hände. »Ich habe es getan ... ich habe sie getötet ... ich habe sie alle getötet.«
* 13
Als er das prunkvolle Kalksteingebäude betrachtete, stellte Banks fest, dass er die Schule von Braughtmore bisher noch nie gesehen hatte. Sie wurde in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erbaut, nachdem das vorherige Gebäude niedergebrannt war. Im ersten Stock rahmten Ziergiebel die Fenster, die nächsten beiden Etagen besaßen große Schiebefenster, und das mit roten Pfannen gedeckte Dach war mit Erkerfenstern versehen. Die Schule stand an der Öffnung zu einem kleinen Tal, das ein Nebenfluss auf seinem Weg zum Gaiel geschaffen hatte. Um das Gebäude herum waren Rugby- und Cricketplätze angelegt worden.
Banks hielt auf dem Parkplatz auf der anderen Straßenseite, zündete sich eine Zigarette an und drehte sich zu Katie.
»Dann erzählen Sie mal«, sagte er.
»Ich habe es getan«, wiederholte Katie. »Ich habe sie getötet.«
»Wen haben Sie getötet?«
»Bernie und Stephen.«
»Warum?«
»Weil ich ... weil sie ... Es war Gottes Urteil.«
»Gottes Urteil für was, Katie?«
»Meine Sünden.«
»Weil Sie mit Ihnen geschlafen haben?«
Katie starrte ihn mit tränennassen Augen an. »Nur sie mit mir«, korrigierte sie ihn. »Sie wollten mich fortnehmen, weg von hier, fort von meinem Mann.«
»Aber Sie haben mit Bernard Allen geschlafen. Mit Stephen auch?«
»Bernie nahm mich in seinem Zimmer. Das war der Preis. Ich fand keinen Gefallen daran. Er sagte, er würde mich nachkommen lassen, wenn er wieder in Kanada wäre.«
Banks brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass Bernie nach Swainshead zurückkehren und gar nicht in Kanada bleiben wollte. »Und Stephen?«, fragte er.
»Er ... er hat mich geküsst. Ich wusste, dass ich zahlen musste, aber später. Und jetzt ...«
»Haben Sie ihn getötet, um nicht zahlen zu müssen?«
Katie schüttelte den Kopf. »Er wollte mich mitnehmen, wie Bernard. Er musste sterben.«
»Wie haben Sie ihn getötet?«
»Jeder, der mir helfen will, stirbt.«
»Aber wie haben Sie ihn getötet?«
»Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht.«
»Katie, Sie haben weder Stephen Collier noch Bernard Allen getötet, nicht wahr?«
»Sie sind wegen mir gestorben. Die Rache des Herrn. Auch Nicholas war die Rache des Herrn. Gegen mich. Um mir meine Abscheulichkeit zu zeigen.«
»Nicholas? Was war mit Nicholas?«
»Er hat seine Hände an mich gelegt. Seine widerlichen Hände. Die Hände eines Tieres.«
»Wann war das? Wo?«
»In seinem Haus. Bei der Party, zu der ich mit Sam gehen musste. Ich habe ihm gesagt, ich will da nicht hin. Ich wusste, dass es schlimm werden würde.«
»Was ist passiert?«
»John kam, und sie haben gekämpft.«
»John und Nicholas?«
»Ja.«
Das erklärte immerhin ihren Streit im White Rose, dachte Banks. »Wusste Sam davon? Haben Sie Sam davon erzählt?«
Katie schüttelte den Kopf. »Sam interessiert sich sowieso nicht dafür. Solange seine heißgeliebten Colliers betroffen sind, ist ihm alles andere egal.«
»Aber Sie haben niemanden getötet, oder?«
Sie legte ihren Kopf in die Hände und weinte. Banks wollte einen Arm um sie legen, doch sie machte sich steif und zuckte zurück in Richtung Tür. Sie lehnte ihre Wange gegen die Scheibe und starrte hoch ins Tal.
»Schützen Sie Sam, Katie? Ist es das? Glauben Sie, dass Sam die beiden getötet hat, weil sie Sie mitnehmen wollten?«
»Ich habe Ihnen gesagt, ich habe sie getötet.«
»Vielleicht fühlen Sie sich verantwortlich, Katie, aber Sie haben niemanden getötet.
Weitere Kostenlose Bücher