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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Es ist ein großer Unterschied, ob man sich schuldig fühlt oder jemandem das Leben genommen hat. Sie haben nichts Unrechtes getan.«
      »Ich wollte vor meinem Mann fliehen.«
      »Er schlägt Sie. Er ist kein guter Mann.«
      »Aber er ist mein Ehemann.« Sie fing wieder zu schluchzen an. »Ich muss ihm dienen. Was kann ich sonst tun? Ich kann ihn nicht verlassen und alleine weggehen. Ich weiß nicht, wie man lebt.«
      Banks kurbelte sein Fenster runter und warf die Zigarettenkippe hinaus.
      »Möchten Sie ein Stückchen gehen?«, fragte er.
      Katie nickte und öffnete ihre Tür.
      Am Berghang gegenüber der Schule war ein ausgetretener Pfad, den sie langsam in Richtung Bergkamm hinaufgingen. Ungefähr auf halbem Weg setzten sie sich zwischen die Kalksteinfelsen ins warme Gras und schauten hinab auf die Szenerie. Das Schulgebäude schimmerte wie Perlmutt, und die Sonne ließ die roten, gewölbten Dachpfannen hell aufleuchten. Auf einem der gemähten Plätze trainierten einige in weiß gekleidete Schüler Cricket, eine andere Gruppe in Shorts und Unterhemden lief über die Aschenbahn. Eine Menge körperlicher Ertüchtigung und kalter Duschen, dachte Banks. Querfeldeinläufe und unvorbereitete Lateinübersetzungen, um den Schülern den Gedanken an Sex auszutreiben. Dazu vielleicht ein bisschen Masturbation in den Schlafsälen, kleine Sauereien im Unterholz, Sodomie im Fahrradschuppen. So stellte man sich als Uneingeweihter das Internatsleben vor. Wahrscheinlich sah die Realität wesentlich unschuldiger aus. Schließlich wurden diese jungen Menschen darauf vorbereitet, das Land zu lenken, die Regierung zu bilden. Andererseits musste man sich nur mal anschauen, wie viele von ihnen auf den Titelseiten der Boulevardpresse landeten. Vielleicht war die Vorstellung des Uneingeweihten doch gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.
      Katie zupfte Grashalme aus und verstreute sie in der leichten Brise.
      »Erzählen Sie mir, was mit Stephen war«, sagte Banks.
      »Wir sind hoch zur Quelle gewandert. Da hat er gesagt, dass er fortgehen wollte. Ich dachte, er würde mich mitnehmen, wenn ich mich von ihm küssen lasse. Das ist alles.«
      »Was hat er noch gesagt? Sie müssen sich unterhalten haben.«
      »Oh, ja.« Katies Stimme klang, als würde sie aus größerer Entfernung kommen.
      »Warum wollte er weggehen?«
      »Er sagte, er hätte genug, er könnte es nicht ertragen, länger hierzubleiben. Er sagte etwas davon, dass er von seiner Vergangenheit und dem Menschen, der er war, wegwollte.«
      »Wovor genau?«
      Zum ersten Mal schaute Katie ihn direkt an. Vom Weinen waren ihre Augen rot umrandet, doch im Sonnenlicht leuchteten sie immer noch in warmem Braun. Banks konnte ihre Anziehungskraft spüren. Der Wunsch, sie zu beschützen, verschmolz mit dem Impuls, sie zu berühren. Sie löste in ihm das Verlangen aus, die Hand nach ihr auszustrecken und die blonden Strähnen von ihren Wangen wegzustreichen, dann ihren weißen Hals zu küssen und die zarten Rundungen und Erhebungen ihres Körpers zu erforschen. Und er wusste auch, dass sie sich ihrer Wirkung kaum bewusst war, so als könnte sie die natürlichen sexuellen Instinkte, durch die sich Menschen zueinander hingezogen fühlen, nicht verstehen. Sie wusste, was die Männer wollten, aber sie wusste nicht, weshalb und worum es dabei eigentlich ging. Sie war unschuldig, eine einzigartige und verletzliche, seltene Pflanze, die hier am Rande der Moorlandschaft wuchs.
      »Wovor wollte er weg?«, wiederholte sie und durchbrach seine Illusionen. »Von was wir alle wegwollen. Von den Fallen, die wir uns gestellt haben. Die Fallen, die Gott uns gestellt hat.«
      »Es ist keine so furchtbare Sache, wenn man einer schlechten Ehe entfliehen will, Katie«, sagte Banks. Aber er spürte, dass er nicht den richtigen Ton fand, dass er nicht wusste, wie er mit dieser Frau reden sollte. Was er sagte, hörte sich herablassend an, obwohl es ganz und gar nicht so gemeint war.
      »Es ist die Pflicht einer Frau«, entgegnete Katie. »Es ist das Kreuz, das sie tragen muss.«
      »Wovor lief Stephen davon? Vor mir? Hat er mich erwähnt?«
      Katie schien überrascht zu sein. »Nein«, sagte sie. »Nicht vor Ihnen. Vor seiner Vergangenheit, vor dem Leben, das er führte.«
      »Hat er etwas Bestimmtes erwähnt?«
      »Er hat gesagt, er wäre schlecht gewesen.«
      »Wie?«
      »Ich weiß es nicht. Er erzählte einfach. Ich habe nicht

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