04 Verhaengnisvolles Schweigen
man eine Lüge. Die Lüge ließ sich dann immer deutlich an der augenscheinlichen Erleichterung des Betreffenden ablesen. Danach kam man leichter an die Informationen, die wirklich wichtig waren. Und er hatte das Gefühl, dass ihr Geheimnis etwas anderes betraf.
»Aber Sie haben Zeit miteinander verbracht, oder? Sie beide allein, wie Freunde es tun?«
Katie nickte.
»Und dabei werden Sie sich unterhalten haben. Über was haben Sie gesprochen?«
Katie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht, nichts Besonderes. Über das Leben.«
»Das ist ein weites Feld. Über was genau?«
Sie kaute jetzt auf ihrer Unterlippe. Banks spürte, dass sie kurz davor war, zu reden. Um sie nicht wieder zu verängstigen, musste er nun behutsam mit ihr umgehen.
»Es könnte wichtig sein«, sagte er. »Wenn er Ihr Freund war, dann wollen Sie doch sicherlich, dass sein Mörder gefasst wird?«
Katie sah ihn an, als wäre ihr dieser Gedanke völlig neu. »Ja«, sagte sie. »Ja, natürlich will ich das.«
»Wollen Sie mir dabei helfen?«
»Er hat von Kanada erzählt, von seinem Leben in Toronto. Wie es dort ist.«
»Was genau?«
»Wie wunderbar und aufregend es dort ist.«
Es war, als entlockte man einem unartigen Kind ein Geständnis. »Kommen Sie«, half ihr Banks auf die Sprünge. »Da war irgendetwas Besonderes, oder? Sie haben keinen Grund, mir etwas zu verheimlichen, und ich weiß, dass Sie mir etwas verheimlichen.«
»Er hat es mir im Vertrauen erzählt«, sagte sie. »Ich darf es niemandem erzählen. Sam bringt mich um, wenn er es herausfindet.«
»Warum?«
»Er mag es nicht, wenn ich hinter seinem Rücken mit den Leuten rede.«
»Hören Sie, Katie. Bernard ist tot. Jemand hat ihn ermordet. Sie können doch nicht ein Geheimnis für einen toten Mann bewahren, oder?«
»Das Leben endet nicht mit dem Tod.«
»Vielleicht. Aber was er gesagt hat, könnte wichtig sein.«
Es entstand eine lange Pause, in der Katie mit ihrem Gewissen zu kämpfen schien. Jede Phase des inneren Gefechtes blitzte über ihren makellosen Teint. »Annie war dort«, sagte sie schließlich. »Das hat er mir erzählt. Annie war in Toronto.«
»Annie?«
»Ja. Anne Ralston. Sie war vor langer Zeit Bernies Freundin. Sie verschwand, als wir hier vor fünf Jahren diesen ganzen Ärger hatten.«
»Ich hab schon von ihr gehört. Was genau hat Bernard gesagt?«
»Nur, dass sie jetzt in Toronto lebte. Er hatte vor drei Jahren von ihr gehört. Damals wohnte sie noch in Vancouver. Sie blieben in Kontakt, und nun war sie umgezogen.«
»Hat er sonst noch was von ihr erzählt?«
Katie sah ihn ausdruckslos an. »Nein. Sie hat ihn nur gebeten, niemandem in Swainshead zu erzählen, dass er sie gesehen hat.«
»Das war es, was Bernard Ihnen erzählt hat?«
»Ja.«
»Was meinen Sie, warum hat er es Ihnen erzählt, wenn Anne nicht wollte, dass er es überhaupt jemandem weitererzählt?«
»Ich ... ich ... weiß es nicht«, stammelte Katie. »Er hat mir vertraut. Er erzählte einfach von Menschen, die fortgehen und ein neues Leben anfangen. Er sagte, sie wäre glücklich dort.«
»Haben Sie auch davon gesprochen, sich ein anderes Leben zu wünschen?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Ihren Worten fehlte die Überzeugung. Banks wusste, dass er richtig lag. Katie hatte Bernard Allen wahrscheinlich erzählt, dass sie Swainshead am liebsten verlassen würde. Warum, wusste Banks nicht, aber bei dem, was er bisher von Sam gehört und gesehen hatte, hatte sie immerhin einen guten Grund.
»Egal«, sagte er. »Hat er davon gesprochen, hierher zurückzukehren?«
Katie schien überrascht zu sein. »Nein. Warum sollte er? Er führte da drüben ein wunderbares neues Leben.«
»Hat er Ihnen das Geheimnis an dem Morgen anvertraut, als er abreiste, oder vorher?«
»Vorher. Gleich nachdem er ankam.«
»Und er hat es nur Ihnen erzählt?«
»Ja.«
»Sie zögern, Katie. Warum?«
»Ich ... ich ... weiß nicht. Sie verwirren mich. Sie machen mich nervös.«
»Hat er es nur Ihnen erzählt?«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Und wem haben Sie es erzählt?«
»Ich habe es niemandem erzählt.«
»Sie lügen, Katie.«
»Das tue ich nicht. Ich -«
»Wem haben Sie es erzählt? Sam?«
Katie zog so heftig am Staubtuch, dass es zerriss. »Na gut, ja! Ich habe es Sam erzählt. Er ist
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