040 - Die Faust Gottes
Matt eine Art Souvenir-Laden: ein überdachter Stand vor einem offenen Hüttenraum, wo Kruzifixe und Weihwasseramphoren feilgeboten wurden. Und Marienstatuen in allen denkbaren Variationen: groß, klein, bunt, naturbelassen, zum Herumtragen, als Schmuckanhänger und auch zum Aufblasen. Offenbar wurden sie hier in Godswill produziert. Fassungslos stand Matt vor den Auslagen. Das war einer jener Augenblicke, in denen ihn der Gedanke beschlich, »Christopher-Floyd« könnte die Welt und die Menschen weit weniger verändert haben, als es auf den ersten Blick schien. Seine Landsleute waren immer schon Meister des schlechten Geschmacks gewesen…
Irgendwann wurde der Himmel noch eine Spur grauer. Der Tag neigte sich. Vom Rundturm der Basilika ertönte eine Glocke. Keine dröhnende Bassglocken, wie Matt es angesichts der mächtigen Basilika erwartet hätte, sondern ein einziges helles Glöckchen.
Aber sie verfehlte ihre Wirkung nicht: Aus sämtlichen Hütten strömten die Menschen auf den vier Wegen zur Basilika hinauf. Matt schloss sich ihnen an. In der Kirche hoffte er Aruula wiederzusehen. Noch während der Messe wollte er mit ihr den Aufbruch für den nächsten Morgen planen. Dieses Godswill war ihm mehr als eine Nuance zu wunderlich.
Etwa zweihundert Menschen versammelten sich in den Bankreihen des rechten Seitenschiffs; Männer, Frauen und Kinder. Selbst Säuglinge hörte man krähen. Das Gestühl im linken Seitenschiff blieb vollkommen leer. Als wäre es reserviert.
Die Menschen schwiegen nicht, wie sie es in Matts Erinnerung während der wenigen Gottesdienste getan hatten, die er selbst erlebt hatte - sie tuschelten, scherzten, lachten laut und blieben teilweise in irgendwelche Gespräche vertieft im Mittelgang stehen.
Irgendwann ertönte Musik. Keine Orgel, nein - etwas, das wie ein Akkordeon klang. Jemand stimmte ein Lied an, andere fielen ein.
Der Text war schwer zu verstehen - es ging um Krieg und Kampf, um Märtyrertod und -ehre. Und um Dämonen. Nichts davon überraschte Matt wirklich. Bald erkannte er die Melodie - ein altes Gospelstück: Joshua fit the battle of Jericho…
Einige Frauen tauchten im Mittelgang auf, unter ihnen Aruula. Sie entdeckte Matt und arbeitete sich zu ihm in die Mitte der sechsten oder siebten Bankreihe vor. Ihr Duft hüllte ihn ein, als sie sich neben ihn setzte.
Gott, wie gut sie riecht…
»Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er runzelte überrascht die Stirn. »Sie sind komisch hier, einfach komisch.« Aruula blickte sich um, erwiderte ein Lächeln hier und da und lehnte sich wieder gegen Matt. »Glaub mir - die Leute sind völlig verrückt. Lass uns von hier verschwinden…«
Die Musik verstummte. Wer nicht sowieso stand, erhob sich jetzt. Am Altar erschien Rev'rend Rage. Er trug eine violette Schärpe über seinem schwarzen Ledermantel. Der Hut hing ihm im Nacken. Wie ein Gewehr stemmte er den Schaft eines armlangen Kruzifix in die rechte Hüfte. Er blickte zum Eingang, und nach und nach wandten sich sämtliche Köpfe in diese Richtung. Auch Matts und Aruulas.
Es scharrte und knarrte und die beiden Flügel des Eingangsportals öffneten sich. Dann erklangen Schritte und Ketten rasselten. Ein paar Männer von Godswill führten den Zug an - sie trugen die hier obligatorischen geflochtenen Hüte und in Hüfttaschen, die aussahen wie Revolverholster, Luftdruckpistolen oder mechanische Schleudern.
Die Hauptmasse der verspäteten Messebesucher aber bestand aus abgerissenen Gestalten in Handschellen und Fußketten. Durchweg Männer Schwarze, Weiße, Kahlköpfe, Langhaarige. Matt sah Männer in Lederkluft und in Fellen, Männer in langen schwarzen Gewändern, deren Physiognomie ihn an Asiaten erinnerte - und sogar WCA-Agenten!
»So viele Gefangene?«, flüsterte Aruula.
Ein freundlicher Mensch in der Reihe vor ihnen strahlte sie an, ein Mann mit Brille und zylinderähnlichem Strohhut. »Bei Rev'rend Rage herrscht Zucht und Ordnung«, flüsterte er.
»Wer über die Stränge schlägt, bekommt Arrest.«
Wie erwartet schoben sich die Reihen der Gefangenen in das Gestühl des linken Seitenschiffs.
Matt überflog die vielen Köpfe - es waren mindestens siebzig Häftlinge.
»Siehst du Bruder Eddie irgendwo?«, flüsterte Aruula. Matt schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht.«
Die Männer in Ketten brauchten lange, um sich zu setzen und relative Ruhe einkehren zu lassen, aber endlich hatten
4l sie es geschafft. Die Messe begann.
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