0400 - Jenseits-Melodie
mich erwischte, mich in den Pflanzenwirrwarr hineinschleuderte, so daß ich das Gefühl hatte, vor eine Gummiwand gefallen zu sein. Judith hatte jetzt die Chance zur Flucht. Und die nutzte sie auch.
Sie begleitete ihren Abgang mit einem höhnischen Lachen. »Zur Hölle mit dir, du Hund«, schrie sie mir zu. »Hol ihn doch selbst, den verdammten Chinesen!«
Ich kam wieder hoch. Dabei hatte ich das Gefühl, von klebrigen Händen gepackt zu werden, aber ich riß und strampelte mich mit wilden Bewegungen frei, so daß ich mich um Suko kümmern konnte. Mein Freund hatte jetzt Vorrang.
Vielleicht hätte ich es irgendwann geschafft, die Zweige mit meinem Taschenmesser zu zerschneiden, aber die Zeit besaß ich nicht. Zudem waren es Bäume und Gewächse, die man als magisch geladen bezeichnen konnte.
Das bewiesen sie auch. Sie schlugen nach mir, trafen meinen Rücken und wollten sich dort festklemmen.
»Die Peitsche, John!« ächzte Suko.
Daran hatte ich auch schon gedacht. Da Sukos Arme fest an den Leib gepreßt waren, schob ich meine Hand in die Nähe seines Gürtels und fühlte dort den Griff der Peitsche. Mit einem heftigen Ruck zog ich die Waffe hervor, schlug über dem Boden einen Kreis und schaute zu, wie die drei aus Dämonenhaut gefertigten Riemen die Öffnung verließen. Bevor sie noch den Boden berührten, hatte ich die Peitsche schon hochgehoben und schlug zu.
Es tat mir weh, daß ich dabei den Körper meines Freundes traf, doch die Schmerzen ließen sich ertragen. Zudem wurden sie noch durch die Kleidung gefiltert.
Suko hatte sich unter Kontrolle. Er schrie nicht, stöhnte nicht einmal und zuckte nur zusammen, als ihn der zweite und dritte Hieb trafen. Den vierten Hieb führte ich auch, aber ich zielte dabei nicht auf meinen Freund, sondern drehte mich im Kreis und freute mich darüber, daß die drei Riemen so weit fächerten. Auf die Weise wurden auch die Gewächse getroffen, die mich angreifen wollten.
Die Dämonenpeitsche, eine der stärksten und mächtigsten Waffen, die wir besaßen, versagte uns auch hier nicht ihre Hilfe. Die Lianen, die Sukos Körper wie Fesseln umspannten, verschmorten, und ein stinkender Qualm stieg dabei auf.
Suko fiel.
Er wäre hart auf den Boden geschlagen. Ich stützte ihn im letzten Moment ab.
Er konnte nicht laufen. Erst jetzt sah ich, daß seine Kleidung bereits zerstört und auch die Haut an gewissen Stellen angegriffen worden war. Aber die Wunden waren nicht so schlimm.
Suko versuchte ein Grinsen. »Danke, Partner!« flüsterte er. »So bin ich selten überrascht worden. Die waren plötzlich über mir, zogen mir die Beine weg und…«
»Später Suko.« Ich bückte mich und faßte meinen Freund unter.
Dann zog ich ihn erst einmal aus diesem dichten »Wald«, hervor. Er mußte aus der Gefahrenzone geschafft werden.
Wichtig war für mich Judith. Ob sie es geschafft hatte, das Gebilde zu erreichen?
Sie hatte ihren Mentor retten wollen. Ich mußte einfach sehen, ob ihr dies gelungen war.
Ich ließ Suko los, und wollte dorthin eilen, wo auch das Klavier stand. Das war nicht mehr nötig.
Ich sah Judith vor dem Flügel stehen. Und sie hatte es tatsächlich geschafft, die magische Grenze der Kreide zu überwinden, denn an ihrem rechten Handrücken klammerten sich die fünf Finger des Horror-Kretins fest. Seine Augen starrten mich böse an. Aber nicht Manfredo Cardinal sprach, sondern Judith.
»Jetzt stehen die Chancen wieder gleich, und wir werden dich vernichten!«
***
Das Versprechen stand im Raum. Ich war davon überzeugt, daß Judith alles versuchen würde, um es einzuhalten, aber ich würde dagegen halten, das stand fest.
Zwei Dinge holte ich hervor.
Die Beretta und mein Kreuz!
Das Kreuz bekam sofort eine grünliche Patina, als es die Magie des Landes Aibon spürte. Ich konnte mit dem Kreuz eigentlich nichts anfangen, in Aibon zeigte es keine Wirkung, obwohl zwischen diesem Land, den Templern und dem Kreuz ein Zusammenhang bestand, aber den mußte ich zunächst noch herausfinden.
Außerdem waren mir die noch nicht enträtselten Zeichen in der Kreuzmitte geraubt worden. Möglicherweise stellten sie die Verbindung zu Aibon her.
Doch dies lag noch in der Schwebe. Für mich war es wichtiger, Judith und ihren Schützling zu stoppen.
Wie konnte er mir gefährlich werden? Wenn er auf mich zusprang und seine Hand mich an der Kehle zu packen bekam, sah es schon böse aus, deshalb wollte ich es nicht so weit kommen lassen.
Judith kam auf mich zu. Sie wirkte
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