0403 - Nachts, als die Mörder kamen
herum.
Es war erst 11 Uhr, der Schnee dämpfte die Geräusche der vorbeifahrenden Autos. Die Straße wurde jetzt schmaler. Außer der langen Front einer Drahtfabrik gab es nichts auf meiner Straßenseite. Ich sah vor mir einen dunklen Vorsprung und machte einen Schritt auf die Straße, um größeren Abstand zu bekommen. Im gleichen Moment blendeten hinter mir die Scheinwerfer eines Autos auf, und ich musste wieder zurück auf den Gehsteig treten. Ich wartete, bis das Auto vorüber war, dann wollte ich wieder über die Straße gehen. Im gleichen Moment schoss ein Schatten auf mich zu. Ich wich aus, aber der andere hatte damit gerechnet und glitt wie eine Katze auf die andere Seite. Ich sah im trüben Licht der Straßenlaterne etwas blinken und fühlte, dass sich etwas Hartes gegen meine Rippen presste.
»Na, komm schon«, sagte eine dumpfe Stimme. Ich erkannte den blonden Hünen Hardy Boone, obwohl er jetzt im Dunklen nur als schwarzer Umriss zu erkennen war.
Der Wagen, der mich eben überholt hatte, kam langsam zurück.
Der Revolverlauf bohrte sich tief in meine Seite.
»Heb die Hände hoch, ein bisschen schnell!«, knurrte Hardy. Ich musste gehorchen. Außerdem interessierte mich, was er vorhatte.
Der Wagen hielt neben mir, eine Tür wurde geöffnet. Hardy stieß mich unsanft hinein. Als ich saß, durchsuchte er mich schnell nach Waffen.
»Er hat nichts, aber diese Burschen sind ja raffiniert«, sagte er zum Fahrer.
Ich sah mir den Nacken des Mannes an. Es war Tyler Logan, obwohl er jetzt auf seiner Glatze eine flache Kappe trug. Neben ihm saß Huff Sanderson. Immer noch eine Zigarette lässig im Mundwinkel und den ewig gelangweilten Ausdruck im Gesicht.
»Vielleicht ein Messer?«, fragte Logan.
»Fahr nur los. Er wird nicht mucken«, sagte Hardy Boone. Sein Whiskyatem drohte mich einzunebeln.
Ich sah aus dem Fenster, um festzustellen, wohin wir fuhren. Aber das Schneegestöber wurde immer dichter, und Logans breiter Rücken verdeckte die Sicht nach vorn.
Ich wollte mich nicht bewegen, um den betrunkenen Hardy nicht unnötig zu reizen.
Der Wagen wurde langsamer, und ich erkannte, dass wir zum Sound View gekommen waren. Der Wagen fuhr am Park vorbei, bog auf den Boulevard ein und raste nach Süden hinunter.
Ich wusste, wohin der Wagen fuhr.
Zu den Docks.
Zu den Sound-View-Docks der Bronx, die seit mindestens zehn Jahren nicht mehr benützt wurden, seit sich der Wasserspiegel durch die anwachsende Industrie gesenkt hat und seit die Schiffe eine andere Route nehmen. Keine schöne Gegend für ein Rendezvous.
Der Wagen stoppte vor einem hohen, halb verfaulten Holzzaun. Hardy zerrte mich heraus, und ich konnte mich genauer umsehen. Es gab hier ein paar alte Lagerschuppen, einen Haufen mit verbeulten Blechfässern und Kannen und rundherum einen Zaun. Wir waren in einer stillgelegten Fabrik oder Lagerhalle. Hardy ließ mir keine Zeit. Er stieß mich mit dem Revolver an und sagte: »Los, rein da!«
Ich stolperte hinter Sanderson und Tyler Logan her. Sie schoben zu zweit eine schwere Holztür auf, die erstaunlich gut geölt war. Wir kamen in eine alte Garage. Auf dem Betonboden waren 40 noch die Ölflecke der Autos, die früher hier gestanden hatten. An den Wänden hingen verwitterte alte Reifen.
In einer Ecke lagen ein paar alte Säcke, an der Wand war ein verstaubtes Regal mit Werkzeug. Dorthin stieß mich Hardy. Huff Sanderson und Tyler Logan ließen sich auf die Säcke fallen, und Huff holte eine flache Whiskyflasche aus der Hosentasche.
»Also, fang am besten gleich an, dann dauert’s nicht so lange!« Er grinste mich an.
Logan hatte seine Kappe abgenommen. Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen Kopf, dann setzte er die Mütze wieder auf und begann seine beschlagene Brille zu pützen.
»Vielleicht«, begann er, »war es dumm, ihm die Augen nicht zu verbinden!«
»Quatsch!« sagte Hardy und gab mir einen Stoß, der mich taumeln ließ. »Entweder ist er faul, dann kommt er hier nicht lebend raus, oder er ist okay, dann ist es egal, klar?«
»Wenn du meinst, wird’s schon stimmen«, sagte Logan. Ich sah ihn mir genauer an. Er hatte bisher den Eindruck gemacht, ein ziemlich harter Bursche zu sein, aber jetzt ordnete er sich Hardy Boone unter.
Hardy baute sich vor mir auf und befahl mir, die Hände noch höher zu halten. Er sagte zu Huff Sanderson: »Komm, steh auf, Kleiner, such ihn ab, aber genau!«
Huff stand gelangweilt auf, aber ich entdeckte in seinen Augen ein kaltes, amüsiertes
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