0404 - Die Bande der Toten
unfreundliche, aber dennoch auch nicht übermäßig sympathische Stimme einer gehetzten Sekretärin wirkte.
»MGM-Pictures, Hollywood. Mr. Crabble möchte dringend Miss Bella sprechen. Können Sie mich bitte verbinden, Sir?«
»Das tut mir aber aufrichtig leid, meine Liebe«, erwiderte die ölige Stimme aus dem Twenty One Klub. »Miss Bella dürfte im Augenblick kaum zu erreichen sein. Sie hat eine Orchesterprobe, und vor den Proben pflegt sie oft stundenlang spazieren zu gehen. Wenn es Ihnen natürlich möglich wäre, gegen drei Uhr noch einmal anzurufen, werde ich Miss Bella gern davon verständigen, dass MGM etwas von ihr will.«
»Gut, ja, ich werde Mr. Crabble verständigen. Wir melden uns wieder.«
»Bitte, tun Sie das!«, bat die ölige Stimme. Und der First Manager im Twenty One Klub rieb sich zufrieden die Hände. Hatte er es nicht immer gesagt? Gloria Bella war das Talent des Jahres, ach was, des kommenden Jahrzehnts! Und nun hatte es sogar schon Hollywood begriffen! MGM!
Auch der andere Teilnehmer des Gesprächs, nämlich der Tramp in seiner Telefonzelle, war äußerst zufrieden. Um drei Uhr Orchesterprobe, dachte er. Dann muss sie ja ein paar Minuten vorher kommen. Besser kann man es nicht kriegen.
Er wählte die Nummer von der Zentrale der Yellow Cab Company. Dann bat er um ein Taxi an die Ecke, wo er sich gerade befand. Der Wagen wurde ihm zugesagt.
»Ich gehe zu einem Kostüm-Gartenfest bei Freunden«, fügte der Tramp hochnäsig hinzu, in einem Tonfall, der sehr an die breiten Vokale gewisser Harvard-Leute erinnerte. »Sagen Sie bitte Ihrem Fahrer, dass ich in der Aufmachung eines Tramps auf ihn warte. Nicht, dass er an mir vorbeifährt.«
»Ja, Sir, wir verständigen unseren Fahrer.«
»Danke.«
***
Der Tramp blieb in der Telefonzelle und wartete. Als er eines der New Yorker Taxis langsam heranrollen und anhalten sah, verließ er die Telefonzelle und ging schnell zu dem Wagen. Der Fahrer war ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, der eine dunkle Hornbrille trug. Er bedachte den Tramp mit einem knappen misstrauischen Blick. Als ihm aber eine Fünfdollar-Note in die Hand gedrückt wurde, verschwand sein Misstrauen sofort, und wich einer lässigen Dienstbereitschaft.
»Ich muss noch ein paar SGherzartikel besorgen«, sagte der Tramp. »Fahren Sie mich erst einmal in die 52th Street. Setzen Sie mich an der Ecke der Seventh Avenue ab und warten Sie in der Nähe. Wenn ich nach zehn Minuten nicht zurück bin, können Sie wegfahren. Der Rest gehört dann Ihnen.«
»Ja, Sir.«
Bis zur angewiesenen Ecke würde der Fahrpreis höchstens sechzig Cent betragen. Der Fahrer hatte also keine Ursache, warum er nicht hätte warten sollen. Er tat es. Der Tramp schlenderte inzwischen über die Parkplätze zwischen dem Equitable Life Building, dem New York Hilton und einigen anderen Wolkenkratzern am Rande des Rockefeiler Center. Da er nichts Passendes fand, kehrte er zu seinem Taxi zurück und ließ sich drei Straßen weiter nach Süden fahren. Dort wiederholte er seine Instruktionen für den Fahrer und machte sich erneut auf die Suche nach einem geeigneten Fahrzeug.
Er fand es in einem chromblitzenden Chrysler Newport, Baujahr 1961, mit weit ausgezogenen, auswärts geschwungenen Heckflossen. Der Fahrer hatte nicht einmal den Zündschlüssel abgezogen. Der Tramp setzte sich gelassen ans Steuer, ließ den Motor an und rollte vom Parkplatz. Unterwegs klappte er den Kragen seines zerschlissenen Mantels herab und ließ darunter ein weißes Hemd mit einer rötlichen Krawatte sehen. Als er sich auch noch den verbeulten Filzhut abgenommen und unter den Sitz gestopft hatte, war an seinem Oberkörper, der ja durch die Fenster von draußen gesehen werden konnte, nicht mehr viel von einem Tramp.
In der Nähe des Bühneneingangs vom Twenty One Klub wartete der Ex-Tramp in dem gestohlenen Wagen, bis es kurz vor drei war und Gloria Bell mit großer Sonnenbrille und in hautengen Slacks um die nächste Ecke bog. Der Tramp ließ sie herankommen. Kurz bevor sie den Chrysler erreicht hatte, sprang eine Frau aus einem jäh herangejagten Taxi und lief auf die Künstlerin zu. Sie schwenkte eine Rolle Notenblätter in der Hand. Der Tramp reckte ruckartig den Kopf vor und betrachtete die Frau aus dem Taxi aufgeregt. Dann ließ er die Seitenscheibe des Wagens herab und rief halblaut: »Eileen! He, Eileen!«
Die Sekretärin von Gloria Bella, die ihr die vergessenen Noten nachgebracht hatte, drehte sich suchend um. Auch die
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