0405 - Kampf um Merlins Burg
anklagend die Hand aus.
»Durch euch Dämonenjäger. Durch die Gesellchaft, in die er geriet. In die ich mit hinein gezogen wurde. Eine Gesellschaft, die außer Kampf nichts zu kennen scheint, die es zugelassen hat, daß mir alles genommen wurde, was ich liebte…«
Tendyke erhob sich. Er zuckte hilflos mit den Schultern.
»Ling, ich verstehe Ihre Verbitterung. Ich habe getan, was ich konnte, aber… es war eben nicht genug. Das Schicksal war dagegen.«
»Ja, es war nicht genug«, sagte sie. »Mister Tendyke… ich gehe. Für immer.«
»Was soll das heißen?«
»Ihr habt mir alles genommen. Ich will nichts mehr mit euch allen zu tun haben. Ich kündige, und ich werde irgendwohin gehen, wo ich meine Ruhe habe. Ich will niemals wieder etwas mit euch und euren Kämpfen zu tun haben.«
Tendyke schluckte. Er wollte etwas sagen, ließ es aber dann. Es hatte keinen Sinn, darauf hinzuweisen, daß diese Kämpfe bitter nötig waren, daß sie halfen, den dunklen Mächten ihre Grenzen zu zeigen. Und Kämpfe… gingen nicht immer ohne Opfer ab. Niemand wußte das besser als er.
Aber Su Ling würde das jetzt nicht verstehen. Noch nicht. Vielleicht in vielen Jahren, wenn alles nur noch Schatten der Vergangenheit waren.
»Ich akzeptiere das«, sagte er rauh. »Ich werde dafür sorgen, daß Sie nicht hungern müssen. Ich sorge dafür, daß Sie an dem Ort Ihrer Wahl eine neue Arbeit bekommen. Und… Sie sollen wissen, daß immer jemand von uns da sein wird, wenn Sie uns brauchen. Sie brauchen nur zu rufen.«
Sie lächelte, aber es war ein Lächeln ohne Wärme. Es war das geschäftsmäßige fächeln der Asiaten.
»Ich werde nicht rufen, Mister Tendyke«, sagte sie. »Wir werden uns nie Wiedersehen.«
Und so verschwand Su Ling. Ein Abschnitt ihres Lebens hatte ein radikales Ende gefunden. Sie wußte, daß sie nur eine Chance hatte, über den Tod ihres Geliebten hinweg zu kommen, wenn sie einen totalen Neuanfang wagte. Irgendwo, wo sie niemanden kannte. Wo alles ganz anders war, ohne Geister, Dämonen und Magie.
Wo Einsamkeit ihr Begleiter war…
***
»Es ist doch wie verhext«, sagte Professor Zamorra. »Glaubt ihr, ich wüßte, wie wir hierher gekomen sind?«
»Du kannst dich auch an nichts erinnern?« wunderte sich Nicole Duval. »Ich dachte, es hätte nur mich erwischt.«
»Ich weiß nur noch, daß sie mich in dem Meegh-Spider irgendwie erwischt haben müssen. Ich wußte, daß es aus war. Überall Feuer und Chaos, dann die Explosion… und nun sitzen wir alle hier in Caermardhin. Wenn’s nicht so absolut lächerlich wäre, möchte ich behaupten, wir hätten das alles nur geträumt.«
»Haben wir aber nicht«, behauptete Gryf. »Wir haben das alles teuflisch live erlebt. Was macht dein Amulett, Alter?«
Zamorra tastete nach der Silberscheibe, die vor seiner Brust hing -unter dem bis zum Bauchnabel geöffneten weißen Overall. Dieses Kleidungsstück war der beste Beweis dafür, daß die Erlebnisse auf dem Silbermond kein Traum gewesen waren.
»He - es ist wieder betriebsklar«, stieß Zamorra verblüfft hervor. »Das gibt es doch nicht.«
»Meins auch«, stellte Nicole überrascht fest. Sie nahm es ab und reichte es Sid Amos. Mit einem schmalen Lächeln nahm der ehemalige Teufel seinen Besitz wieder an sich. Er wechselte einen raschen Blick mit Merlin.
»Du hättest es nicht aus der Hand geben sollen, dunkler Bruder«, sagte Merlin leise. »Du solltest es auch nicht selbst benutzen. Du weißt nicht, was du damit bewirkst.«
Amos schwieg.
»Du hast deine Erinnerung wieder, Merlin?« fragte Gryf.
Der König der Druiden, der Herr von Caermardhin, wie er manchmal genannt wurde, nickte. »Selbstverständlich. Ich war Merlin, ich bin er und werde er immer sein.«
»Es ist verrückt«, sagte Gryf. »Wenn ich nur wüßte, wie es zu deinem Gedächtnisverlust und deiner Persönlichkeitsveränderung auf dem Silbermond gekommen ist… ich bin froh, daß du wieder der Alte bist.«
»Es ist logisch«, sagte Merlin. »Es ist, wie Tendyke es schon auf dem Silbermond andeutete. Merlin kann nicht zugleich an zwei Orten sein. Ich war es aber durch den Zeitsprung in die Vergangenheit gezwungenermaßen. So konnte mein Ich mir nicht folgen. Denn es wurde zur gleichen Zeit hier dringender gebraucht. In der Zeit, die für uns Vergangenheit ist. Nur wenn hier die Anspannung geringer wurde, konnte ein Teil meines geistigen Ichs zum Silbermond gehen und mir dort helfen…«
»Kompliziert. Kann mir das keiner genauer erklären?«
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