0408 - Der Drachenblut-Vampir
gewagt, dich ihm zu stellen? Ja, du hast Recht gehabt. Der Drachenblut-Vampir wollte auch dich. Gerade dich, Kind. Er will den Menschen und den Banshees zeigen, dass er stärker ist.«
»Kann ich ihn besiegen?«
»Nein.«
»Werde ich sterben?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin nicht allwissend. Er ist ungemein stark, aber du hast Freunde. Versuche Ihnen zu vertrauen. Ihr müsst ihn vernichten. Wenn er weiter am Leben bleibt, wird er alle Banshees töten, die noch existieren. Er hasst uns wie die Pest und will uns zerstören.«
»Weshalb?«
»Weil wir immer auf der anderen Seite standen.« Miriam di Carlo legte eine kleine Pause ein. »Sei vorsichtig, Tochter. Sei vorsichtig. Er ist in der Nähe.«
»Eines noch, Mutter.«
»Ja, schnell.«
»Wer ist mein richtiger Vater?«
»Ein Mensch. Wir hatten uns geliebt, aber er wurde mir genommen. Er starb. Vorsicht, er kommt.« Es war die letzte Warnung, die Miriam di Carlo ihrer Tochter mit auf den Weg geben konnte.
Danach versickerte ihre Stimme.
Ria blieb zurück. Über ihren Körper rann ein Frösteln, nicht allein wegen der Kälte, hinzu kam die Angst, die sie fest in den Klauen hielt.
Ria traute sich nicht, weiterzugehen. Ihr Blick fiel nach rechts. An das Kreisen der Nebelschwaden hatte sie sich mittlerweile gewöhnt.
Es war normal geworden. Deshalb entdeckte sie auch die andere Bewegung, die nicht dazu gehörte.
Es war ein dunklerer Schatten, der zwischen ihr und dem glosenden Auge des heruntergebrannten Stalls stand.
Unbeweglich, starr.
Aber er lebte, denn er sprach sie an. Seine düstere Stimme klang erstickt, er konnte den großen Triumph kaum verhehlen, als er sagte: »Jetzt bist du bei mir.«
Nach dem letzten Wort zuckten seine Schultern. Die Bewegung setzte sich fort, die Arme wurden von seinem Rücken her wieder nach vorn geschwenkt, und als Ria sie sah, konnte sie einen leisen Schrei nicht vermeiden, denn der Vampir hielt etwas in den Händen, das sie schon von Aibon her kannte.
Es waren die beiden brennenden Pfeile!
Rias Atem stockte. Sie spürte das Brennen in den Augen, und sie hörte aus der Ferne abermals den Schrei einer Banshee.
Diesmal noch unheimlicher und klagender. Ein Totenlied, das durch Nacht und Nebel geisterte. Grauenvoll angestimmt und davon berichtend, dass jetzt alles vorbei war.
Der Ruf der Banshee.
Schrei nach dem vergessenen Leben. Ruf nach dem Jenseits, dem Tod, der so endgültig war.
Auch Tyrrtoll hielt sich zurück. Wie Ria, so lauschte er ebenfalls dem Ruf, der nur allmählich verklang wie der Ruf einer fernen Glocke im Abendwind.
Stille senkte sich über den Hof.
Ria riss sich zusammen. Sie drängte ihre Furcht zurück, denn sie sagte sich, dass sie nicht allein war. John Sinclair und Suko hatten versprochen, ihr beizustehen. Man konnte sich auf sie verlassen. Nie würden sie das Mädchen im Stich lassen.
Und doch blieb ein Rest von Unsicherheit.
Tyrrtoll kam näher. Er setzte seine Schritte gravitätisch, fühlte sich als Sieger, und seine Körperbewegungen übertrugen sich auf seine beiden Arme.
Die Fackeln schwenkten auf und nieder. Sie leuchteten wie flackernde Augen, die mal in die Höhe stießen und dann wieder nach unten fielen. Alles wirkte wie abgezirkelt.
Und die Distanz zwischen ihnen schmolz.
Gleichzeitig wuchs Rias Angst. Die Hände hielt sie auch weiterhin in den Taschen vergraben. Sie hatte sie zu Fäusten geballt.
Wie nahe würde er kommen? Vielleicht bis dicht an sie heran, oder würde er vorher die beiden Lanzen werfen, damit es ihr so erging wie dem Drachen in Aibon?
Noch redete er und erklärte mit dumpf klingender Stimme: »Ich werde dich töten, Banshee.«
Banshee, hatte er gesagt.
Aber sie war keine Banshee. Keine echte. Sie stammte zwar von einer Banshee ab, aber sie wollte trotzdem nicht so genannt werden.
»Ich bin es nicht!«, flüsterte sie. »Nein, so kannst du mit mir nicht reden. Ich bin es wirklich nicht.«
»Ich will alle. Ich rotte sie aus. Die Banshees müssen vernichtet werden. Wenn sie nicht mehr sind, stirbt auch das Land. Dann beginnt wieder die Herrschaft der Drachen und Vampire, so wie ich es mir wünsche. Ich bin gekommen, um den Anfang zu machen. Die Banshees sollen sterben, das habe ich versprochen.«
Noch einen Schritt trat er vor.
Allmählich wuchs Rias Verzweiflung. Sie dachte an das Versprechen, dass John Sinclair ihr gegeben hatte. Würde er es einhalten können?
Noch war von ihm und Suko nichts zu sehen.
»Du wirst verbrennen, wie es einer Banshee
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