0412 - Ein Grab aus der Vergangenheit
erkalten.«
»Sie sprechen mir aus dem Herzen.«
»Dann kommen Sie.«
»Moment noch.« Ich war wie vor den Kopf geschlagen und musste meine Gedanken erst sammeln. »Ich bin mit dem Wagen des toten Reporters hier in den Ort gekommen. Können wir ihn benutzen?«
»Können ja, aber wir kämen nicht an das Grab heran. Das Ufergelände am Fluss ist sehr dicht, manchmal auch dschungelartig bewachsen. Sie werden das vielleicht gesehen haben, deshalb schlage ich vor, dass wir vom Wasser aus die Insel erreichen.«
»Sie haben ein Boot?«
»Ja.« Er lächelte. »Wir werden uns eines ausleihen. Das geht schon in Ordnung.«
»Wenn Sie das sagen, Abbé.«
Er lächelte zuversichtlich und ging los. Ich folgte ihm langsamer.
In meinem Kopf drehte sich alles. Himmel, da war ich hergekommen, um Werwölfe zu jagen, und traf plötzlich auf Hector de Valois.
War es wirklich ein Zufall?
Nein, ich hatte es mir abgewöhnt, daran zu glauben. Für mich stellte sich das Leben als ein gewaltiger Kreislauf von verschiedenartigen Teilen dar, die beim ersten Hinsehen nichts miteinander zu tun hatten, sich irgendwann jedoch alle trafen, damit sich der Kreislauf schließen konnte.
Mit zwei raschen Schritten hatte ich den Abbé eingeholt und stellte ihm die nächste Frage. »Können Sie sich vorstellen, was die Werwölfe am Grab des Verstorbenen wollen?«
»Da kann ich nur raten. Wahrscheinlich erhofft sich Manon gewisse Informationen. Auch die Mächte des Bösen streben nach Vollendung. Hector de Valois war ein Mensch, der sich auskannte. Er gehörte damals zu den Genies. War Alchimist, war Templer, Höllenforscher und was weiß ich nicht alles. Möglicherweise ist in seinem Grab etwas verborgen, das auch für die Werwölfe von großer Wichtigkeit sein kann.«
»Dann ist es noch verschlossen?«
»Natürlich.«
Ich nickte entschlossen. »Okay, Abbé Bloch, es wird Zeit, dass wir es öffnen!«
***
Lupina!
Keiner der drei Männer sprach den Namen aus, doch jeder von ihnen wusste, dass es allein ihr gefährlicher Schatten war, der sich dort auf dem Boden abzeichnete und auch Nadine, die Wölfin, in seinen Bann hielt.
Der Schatten hatte die Männer völlig verwirrt. Vielleicht dachte jeder das Gleiche, nur traute sich keiner, seine Gedanken auszusprechen.
Er stand dort wie ein Mahnmal, wie ein nicht fassbarer Grabstein für eine tote Wölfin.
Die drei kamen sich vor wie auf einer Bühne. Sir James zwischen und gleichzeitig hinter Suko und Bill an seinem Schreibtisch. Er hatte die Hände aufgestützt, sein Blick war auf den Körper und den Schatten gerichtet, und er war es auch, der als Erster die Sprache wiederfand.
»Dass es Lupina ist, wissen wir, aber wie kommt ihr Schatten in mein Büro?«
Bill drehte den Kopf. »Da bin ich überfragt, Sir.«
Suko fügte ebenfalls etwas hinzu. »Wenn wir da eine konkrete Antwort haben wollen, müssten wir Nadine fragen.«
»Das ist doch lächerlich. Sie kann nicht sprechen und…«
»Sir, schon einmal hat sie uns Informationen übermittelt, wenn ich darauf hinweisen darf. Nicht als Wölfin, sondern als Nadine Berger. Es ist ihr damals gelungen, durch welche Kraft auch immer, Seele und Körper voneinander zu trennen. Bill müsste es besonders gut wissen. Er hat sich damals in der Urzeit befunden.«
»Und Sie glauben, dass jetzt das Gleiche passiert?«
»Ich hoffe es zumindest.«
»Die Verhältnisse hier sind andere. Nadine wird vom Geist dieser Lupina beherrscht. Sie kann es nicht zulassen, dass sich Körper und Seele wieder trennen. Da muss einfach ein anderes Ereignis eintreten als dieses hier. Tut mir Leid.«
Da Sir James in seiner Meinung ziemlich festgefahren war, hielten die beiden anderen den Mund.
Bill Conolly wollte nicht nur stehen und starren, er fühlte sich gezwungen, etwas zu unternehmen, denn Lupinas Schatten war nicht umsonst entstanden.
So ging er vor.
Dabei bückte er sich und streckte einen Arm aus. Wenn seine Hand das Fell berührte, kam sie auch mit dem Schatten in Verbindung. Es war also nicht ungefährlich, aber Bill musste einfach Klarheit haben.
Seine Hand berührte das Fell.
Nichts geschah.
Er wurde mutiger, streichelte die Wölfin, wühlte das Fell auf, spürte die Wärme der Haut und zuckte plötzlich zurück, wobei er sich noch umdrehte.
»Was ist los?«
»Suko, sie hat sich bewegt!« hauchte der Reporter.
»Tatsächlich?«
»Ja, ich habe…«
Bill verstummte, auch die anderen beiden stellten keine Fragen mehr, denn in den folgenden Sekunden
Weitere Kostenlose Bücher