0412 - Ein Grab aus der Vergangenheit
in die Büsche, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Es war nicht einfach, durchzukommen. In den folgenden Minuten vergaß ich die Werwölfe, da ich mich auf meine Arbeit konzentrieren musste. Es wurde tatsächlichbesser. Nachdem wir den ersten dichten Ufergürtel hinter uns gelassen hatten, war das Gelände sogar ziemlich frei. Zwar wuchsen nach wie vor Büsche wie kleine Hindernisse, auch Krüppelbäume streiften mit ihren Ästen unsere Haare, sodass wir uns des Öfteren ducken mussten.
Der Boden war sehr weich, Spuren entdeckten wir keine.
Die Insel schien so jungfräulich geblieben zu sein, wie sie es bei ihrer Entstehung gewesen war.
»Und die Ruinen?« fragte ich.
Der Abbé lächelte. »Sie sind sehr ungeduldig.«
»Das ist mein Problem.«
»Ich war noch nie hier, aber wir werden sie finden, darauf können Sie sich verlassen. Und dann haben wir auch das Grab.«
»Hoffentlich.«
Es war schon eine gewaltige Sache für mich, so dicht an einem entscheidenden Punkt zu stehen. Ich gehöre zu den Menschen, die immer versuchen, mit der Umgebung ins Reine zu kommen. Sei es ein Zimmer, ein Wald oder eine Insel wie hier, immer herrschte eine etwas andere Atmosphäre. So auch hier.
Die Luft war zwar klar, aber sie roch muffig, als läge ein Schleier der Feuchtigkeit über dem Eiland. Vom Wasser her trieb ein fauliger Geruch an unsere Nasen, der Ähnlichkeit mit dem Gestank eines alten schottischen Hochmoores aufwies.
Alles war nass, klamm, und über dem Boden lagen dünne Dunstschleier, die sich in den Morgenstunden sicherlich zu Nebelwolken verdichten würden.
Meine Lampe ließ ich stecken. Auch den kleinsten Lichtpunkt sieht man in der Dunkelheit über große Entfernungen. Sollten sich die Werwölfe auf der Insel verborgen halten und uns bisher noch nicht gesehen haben, wollte ich sie nicht unbedingt auf mich aufmerksam machen.
Da wir davon ausgingen, dass sich die Ruine auf der Inselmitte befand, orientierten wir uns in diese Richtung. Undtatsächlich wurde das Gelände freier. Ich hatte allmählich das Gefühl, am Rande einer größeren Lichtung zu stehen.
Der Abbé stolperte als Erster. Er fluchte leise, als er auf das rechte Knie fiel. Dann rappelte er sich wieder auf und rieb sein Bein. »Da, sehen Sie!« sagte er. »Der Stein!«
Es war eine Platte aus dunklem Stein. Sie ragte knöchelhoch aus dem weichen Boden. Als ich meinen Blick senkte, erkannte ich, dass es sich um einen alten Grabstein handeln musste.
»Und damit haben wir den Friedhof erreicht«, flüsterte ich.
Der Priester nickte. »So sieht es aus. Es gibt mir Hoffnung. Es ist alles so, wie ich es in den Unterlagen gefunden habe. Der Friedhof auf der Insel.«
»Wer liegt hier begraben?«
Er hob die Schultern. »Möglicherweise sind es Hectors Verbündete.«
»Die Templer«, murmelte ich.
Der Abbé hatte meine Worte vernommen. »Was haben Sie da gesagt? Templer?«
»Ja.«
»Hat de Valois zu ihnen gehört?«
»Sicher.«
»Dann ist mir vieles klar.«
»Wieso?«
Er lächelte. »Wie Sie wissen, Monsieur, waren die Templer etwas Besonderes. Vor allen Dingen stellten sie eine Macht dar, die der damaligen Amtskirche nicht gefiel. Deshalb wurden sie ausgeschlossen und gingen ihrem eigenen Glauben nach.«
»Wobei Hector de Valois ihr Anführer war, wie ich inzwischen erfahren habe.«
Der Priester bekam eine Gänsehaut. Ich sah es, weil er nahe an mich herangetreten war. »Hoffentlich versündigen wir uns nicht!« hauchte er.
»Wie meinen Sie das?«
»Man darf die Gräber der Templer nicht öffnen.«
»Das habe ich auch nicht vor.«
Der Abbé nickte. »Gut, suchen wir weiter!«
So leise wie möglich bewegten wir uns durch das Gelände. Sehr schnell stellten wir fest, dass wir tatsächlich auf einem Friedhof gelandet waren, denn nicht nur eine Grabplatte mussten wir übersteigen, sondern uns gleich an mehreren Grabsteinen vorbeiwinden, die nicht alle ein kreuzförmiges Aussehen hatten.
Manche sahen aus wie ein großes X. Das Andreaskreuz, auch ein Zeichen der Templer.
Mir lief ein Schauer über den Rücken. Nie hätte ich damit gerechnet, in diesem Fall auf einem längst vergessenen Templer-Friedhof zu landen, aber das Schicksal lenkte mich immer wieder auf neue Pfade.
Die ersten Trümmer entdeckte ich. Wir hatten den alten Friedhof praktisch verlassen, ohne Hectors Grab entdeckt zu haben. Vor einer hüfthohen, brüchigen Mauer blieb ich stehen und wartete, bis der Abbé mich erreicht hatte.
Der Priester nickte. »Das muss ein
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