0412 - Wo Canaro wütet
Dunkelheit wie Dioden, und sie räkelte sich wieder verführerisch. »Ich will dich, Pascal Lafitte…«
Er drückte auf den Startknopf. Der große Achtzylinder-Motor begann fast lautlos zu arbeiten. Pascal schob den Automatikhebel auf ›D‹ und ließ den Cadillac ganz langsam anrollen.
Beleuchtung ein…
Mehr Gas…
Und dann schoß der Cadillac wie eine abgefeuerte Granate vorwärts. Dreihundert PS machten ihn zu einem rasenden Monster, das durch das nächtliche Dorf jagte. Die beiden Menschen hinter der Panorama-Windschutzscheibe wurden in die Sitzlehnen gepreßt.
»Ich sehe, du kannst es kaum erwarten«, hörte er Sibyls gierige Stimme durch den Fahrtwind.
Ja, es stimmte. Er konnte es wirklich kaum erwarten – zum Château Montagne zu kommen…
***
Nadine glaubte, der Schlag müsse sie treffen.
Sie stand oben am Fenster und sah, wie Pascal sich von dem nackten Mädchen küssen ließ – und wie er mit der Fremden davonfuhr!
Dabei hatte sie ja nur sehen wollen, wie er das Verdeck elektrisch schloß. Und dann das! Die Fremde lag im Wagen; Pascal, der verrückt spielte…
Das durfte doch einfach nicht wahr sein…
Wohin fuhren sie? Zu einem stillen Schäferstündchen?
Nie hätte sie es für möglich gehalten, daß Pascal vorhatte, sie zu betrügen. Und nun sah sie es, wie es geschah! Und das ausgerechnet mit dieser verdammten Amerikanerin, die er nicht einmal richtig kannte! Die brauchte sich bloß auszuziehen und in Pose zu bringen, und schon war der gute Pascal hin und weg…
»Oh, zum Teufel!« keuchte Nadine. »Warum muß mir das passieren? Warum mir? Womit habe ich das nur verdient?«
Wenn es um etwas anderes gegangen wäre, hätte er ihr doch Bescheid sagen können. Sie hatte ihm doch immer vertraut. Aber er war einfach mit diesem Flittchen davongefahren…
Was sollte sie nun tun?
Wie eine Steinsäule stand sie am Fenster und sah mit tränenblinden Augen in die Nacht hinaus…
***
Canaro lachte lautlos in sich hinein. Er nahm die eifersüchtige Wut in sich auf, die Nadine Lafitte ausstrahlte. Die Empfindungen waren bis zu Canaro hin spürbar, und sie kräftigten ihn. Der Dämon war mit der erzielten Wirkung zufrieden. Noch besser wäre es natürlich gewesen, wenn sich alles unmittelbar in Nadines Sichtfeld abgespielt hätte – aber vielleicht wäre es dann zu einem störenden Eingriff ins Geschehen gekommen.
Dennoch – stimmte irgend etwas nicht. Die Kontrolle über Pascal Lafitte war noch nicht absolut. Es gab einen Störfaktor, der verhinderte, daß Canaros Kräfte hundertprozentig wirksam wurden. Normalerweise hätte er sich der hypnotischen Stimme nicht entziehen können, wäre er zu Sibyl gekommen und hätte sich noch vor dem Haus im Auto verführen lassen müssen.
Aber das war nicht geschehen. Er setzte Canaro einen nicht unerheblichen Widerstand entgegen. Und das konnte nicht allein daran liegen, daß Sibyl selbst innerlich gegen Canaro kämpfte, daß sie versuchte, sich aus dem Zwang zu lösen. Sie wollte nicht mit Pascal schlafen.
Ihr Wachbewußtsein versuchte es zu verhindern und war froh über jede eintretende Verzögerung. Als Pascal beim ersten Kuß heftig zurückzuckte, hatte Canaro Sibyls Erleichterung gespürt. Aber dann war das teuflische Spiel weitergegangen…
Jetzt war sie froh, daß die Fahrt nach irgendwo einen weiteren Aufschub brachte. Sie hatte Angst vor dem Endgültigen.
Und doch war da etwas in ihrem Unterbewußtsein, das mit Canaro zusammenarbeitete. Das heimliche Verlangen, das in ihr aufgeblitzt war, als sie Pascal das erste Mal sah, wurde zum Verräter an ihrer Ablehnung…
Und auch an dieser Verzweiflung weidete sich Canaro. Der Dämon genoß es, sein Werkzeug psychisch fertigzumachen. Um so leichter würde auch der letzte Widerstand zu brechen sein.
Und außerdem konnte Canaro jederzeit einen anderen Körper heimsuchen, wenn Sibyl Darrow sich als nicht mehr nützlich erweisen sollte…
Canaro war gespannt, wie sich Pascal Lafitte weiter verhielt. Würde er endlich dem hypnotischen Druck nachgeben? Wie lange würde er sich wehren?
Woher dieser Widerstand kam, interessierte den Dämon in diesem Moment nicht. Er war zu sehr in seiner Gier nach aufgepeitschten Gefühlen gefangen…
***
Pascal warf immer wieder einen mißtrauischen Kontrollblick nach rechts. Er wußte zwar nicht, worauf er achten sollte, aber er wollte sich nicht von einem Angriff überraschen lassen.
Und er hoffte, daß sein Plan funktionierte, den er blitzschnell gefaßt
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