0414 - Satanische Bilder
’ne Gänsehaut«, gestand Nicole. »Wenn dieses Etwas jetzt tatsächlich durchs Cottage geistert, können wir es nicht einmal feststellen und abblocken, weil Merlins Stern nicht darauf reagiert!«
Zamorra blieb vor der Haustür stehen. »Und dein… sechster Sinn?«
»Reaktion Null«, gestand sie.
»Trotzdem durchsuchen wir das ganze Haus, und wenn wir uns zum Schlafen niederlegen, werden wir so dicht wie möglich, mit Berührungskontakt, nebeneinander liegen und das Amulett auf Schutzfunktion programmieren. Ich mag es nicht, im Schlaf überrascht zu werden.«
Während sie die erfolglose Suche durchführten, bei der sie nicht einmal wußten, wonach sie nun eigentlich Ausschau halten sollten, fragte sich Zamorra immer wieder, mit welchem Phänomen sie es hier zu tun hatten.
Dergleichen hatte er niemals zuvor erlebt…
***
Die beschädigte Teufelsgestalt stieg durch den schmalen, offenen Fensterspalt wieder in das Atelier ein. Mit untrüglicher Sicherheit hatte sie den Weg zurück gefunden; das Bild im Atelier wirkte wie ein Magnet.
Die Teufelsgestalt erreichte die Staffelei. Sie zögerte nicht, sondern trat in das Bild hinein. Das Klettern war ein wenig mühsam, aber dann befand sich die Figur wieder in der skelett- und bestienbevölkerten Höllenlandschaft.
Allmählich begann sie dort zu erstarren.
Zuletzt wurden die glühenden Augen fixiert.
Aber damit war nur ein unheimlicher Vorgang beendet; ein anderer begann sofort. Etwas löste sich aus der Teufelsgestalt. Es war unsichtbar und nicht körperlich. Es glitt aus dem Bild heraus und spürte den Hauch der Freiheit, des völligen Losgelöstseins von jedem Zwang.
Aber das täuschte.
Es lag ein Zwang vor, wenn auch kein körperlich erkennbarer.
Das Unsichtbare schwebte durch das verdunkelte Atelier. Es brauchte sich nicht zu orientieren; das hatte vorher schon die Teufelsgestalt getan, als sie dem Bild entstieg. Das Wissen war enthalten geblieben.
Das Unsichtbare warf noch einen »Blick« zurück auf das Bild und schlüpfte dann durch das Schlüsselloch der Ateliertür in den großen Korridor hinaus. Es begann durch das Haus zu wandern, suchte ein Zimmer nach dem anderen auf, auf der Suche nach einem geeigneten Kontrollobjekt…
***
Ricardo Cay erwachte.
Überrascht stellte er fest, daß er im Sessel eingeschlafen war. Das Kaminfeuer war fast niedergebrannt; nur noch Glutreste sorgten dafür, daß man schemenhafte Umrisse erkennen konnte. Cay sah nach rechts; er erkannte Su-Lynns Konturen im Sessel neben ihm. Auch das Mädchen schlief.
Was bedeutete das?
Er versuchte sich zu erinnern: das Bild im Atelier, der fehlende Teufel. Sein vergebliches Grübeln und Nachdenken. Su-Lynns ebenfalls vergebliche Versuche, ihn aufzumuntern und ihn dazu zu bringen, noch einmal mit ihr zu schlafen. Irgendwann mußte ihn die Müdigkeit übermannt haben, noch vor Su-Lynn, denn er konnte sich an nichts anderes erinnern, als daß er im Sessel gehockt hatte, und wäre sie vor ihm eingeschlafen, hätte er sie sicher ins Gästezimmer getragen und ins Bett gelegt.
Sie dagegen hatte es bei ihm erst gar nicht versucht. Aber sie hatte eine Decke über seinen Körper gebreitet.
Selbst war sie dann nackt im Sessel eingeschlafen. Warum sie hier geblieben war, statt sich ins weit bequemere Bett zu legen, war ihm rätselhaft, auch, warum sie ihn nicht geweckt hatte, damit er seinerseits den Weg ins Bett finden konnte.
Aber warum war er erwacht?
Daran, daß es kühler geworden sein könnte, lag es nicht. Es gab ja nicht nur den Kamin im Wohnzimmer, sondern eine über einen Thermostat geregelte Heizung, die ihre Leistung erhöhte, sobald die Temperatur unter eine bestimmte Schwelle sank. Und Cay erlaubte sich den Luxus, alle Zimmer im Haus immer zwischen 20 und 25 Grad zu halten. Es war eine Temperatur, die für Europäer ungewöhnlich hoch lag, ihn aber etwas an seine Heimat erinnerte. Bei Wärme konnte er sich auch im kühlen England noch wohl fühlen.
Auch Su-Lynn hatte bislang noch nichts gegen die Wärme einzuwenden gehabt. Ganz im Gegenteil. Sie zog sich einfach aus…
Ricardo Cay sah sich in dem dämmerigen, fast dunklen Zimmer um. Ihm war, als befände sich etwas Fremdes im Raum, ganz nah bei ihm.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und er fühlte, daß seine Nackenhärchen sich aufrichteten. Ein Einbrecher, der sich auf leisen Sohlen durch das Zimmer stahl?
Aber da war nichts zu sehen.
Cay war nicht unbedingt feige. Er ließ die Decke zur Seite gleiten, und er
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