0423 - Rally des Schreckens
geistig. Das konnte niemand, das schaffte keiner ihrer Gegner. Sie wurden begraben, und ihre Diener trauerten um sie. Aber nach Beendigung der Trauerzeit besann man sich wieder auf die Dinge, die die Götzen hinterlassen hatten. Sie wollten nicht, daß man um sie trauerte. Sie hinterließen ein Vermächtnis, eben ihren Geist, ihr Wissen. Und es zogen ausgesuchte Menschen zu den Gräbern der Götzen, um sich auf sie zu legen. Ich, Dan O'Hirie, bin der Auserwählte. Ich habe den Zugang zu Wahinas Grab gefunden. Ich konnte mich darauf legen, ich spürte seinen Geist, der in meinen Körper eindrang und mich kräftigte. Ich bin der Nachfolger des Götzen. Ich werde seine alten Aufgaben übernehmen und mich von den Menschen verehren lassen. Der Geist des Götzen und ich - wir gehören zusammen, wir bilden eine Einheit, denn ich habe ihn, auf seinem Grab liegend, empfangen. Ich bin zu Wahina geworden…«
Er schwieg, schloß wieder die Augen und sah Sukos Nicken nicht. Der Inspektor drehte sich um, weil er die Schritte der Frau gehört hatte. Zögernd kam Alice Winger näher. Der dicke Stoff ihrer Thermohose schabte an den Innenseiten der Beine. Ihr Gesicht zeigte einen verständnislosen Ausdruck, und Suko hörte sie schnaufend atmen.
»Wissen Sie nun Bescheid?« fragte er.
»Fast«, erwiderte sie leise. »Fast weiß ich Bescheid.« Dann nickte sie. »Das also ist es gewesen.«
»Ja, wir haben das Geheimnis gelöst. Es hängt mit der Grabschläferei zusammen.«
»Trotzdem kann ich es nicht begreifen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist mir einfach zu irreal.«
»Wenn Sie meinen Job hätten, würden Sie anders denken, Alice.«
»Ja… möglich«, antwortete sie ziemlich geistesabwesend. »Aber da ist noch einiges, das mich stört…«
»Und was?«
»Der Wagen, Suko. Er hat nichts von dem Wagen gesägt, weshalb dieser plötzlich zu einer Killermaschine wurde. Dann ist er auch gefahren worden. Sie haben ihn doch gesehen. Das muß der Götze Wahina gewesen sein, Suko, nicht dieser Grabschläfer.«
»Sie haben recht, Alice.«
Die Frau hatte Suko jetzt erreicht. Auch sie war in die Ära des Götzen getreten und fühlte sich unwohl. »Wenn Sie ihn noch einmal fragen können, wäre das doch nicht schlecht.«
Suko lächelte. »Bestimmt nicht.«
»Bitte.«
O'Hirie sah aus, als wäre er in einen tiefen Schlaf versunken. Suko beugte sich über ihn, sprach ihn an, versuchte es mit leiser und lauter Stimme, doch der Bürgermeister wollte nicht. Er fühlte sich einfach wohl in diesem Zustand. Möglicherweise war bei ihm die magische Phase eingetreten, so daß es jetzt Kontakt mit dem Geist des Götzen hatte.
»Nichts zu machen.«
Alice Winger hob die Schultern. »Wissen Sie, ich bin ja eigentlich nicht ängstlich, aber hier fühle ich mich unwohl. Die Atmosphäre ist mir zu unwirklich und zu unheimlich. Können wir nicht verschwinden?«
Suko lächelte schmal. »Einfach so?«
»Ja.«
»Nein, das ist mir zu wenig Erfolg. Ich will mehr wissen. Er soll reden, er muß reden.«
»Wie wollen Sie ihn zwingen?«
Plötzlich meldete sich O'Hirie von allein. »Ihr seid noch da, ihr beiden? Ich will euch nicht mehr sehen. Geht - geht endlich weg. Verschwindet von hier. Stört nicht die Kreise eines Forschenden und Suchenden, sonst wird euch der Zorn des Götzen treffen.«
»Damit müssen wir rechnen«, sagte Suko und verzog das Gesicht, denn auf einmal hatte er wieder diese magische Aura gespürt, die über dem Grabmal des Götzen lag. Sie war wie ein Messerstich in sein Hirn gedrungen. Dem Mann mußte es tatsächlich gelungen sein, mit dem Götzen Kontakt aufzunehmen. Wahina schwebte unsichtbar in seiner Grabkammer. Auch Alice Winger wurde nicht verschont. Suko hörte ihr Stöhnen, drehte sich um und sah sie taumeln.
»Was ist mit Ihnen?«
Ihre hochgerissenen Arme fielen nach unten. Mit dem Rücken preßte sie sich gegen die Wand.
»Ich… ich weiß es nicht genau. Da ist etwas in meinem Kopf. Ich… ich glaube, es ist die Macht des Götzen. Sein Geist…«
»Das verstehe ich, Alice. Tun Sie sich selbst einen Gefallen. Machen Sie kehrt und laufen Sie davon. Rennen Sie weg, Alice. Schnell, so rasch wie möglich. Wir treffen uns dann auf dem Friedhof.«
»Meinen Sie?«
»Ja.«
Und sie lief. Suko drehte sich wieder um. Er hatte sich vorgenommen, die Sache bis zum bitteren Ende durchzustehen. Er mußt diesen Grabschläfer wecken, um weitere Informationen zu bekommen.
Die Lage des Mannes hatte sich nicht verändert. Nach
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