0423 - Rally des Schreckens
hervorholte, auch die Reste des Sargs und den bleichen Fuß mit den gespreizten Zehen.
Das war der Tote.
Alice schüttelte sich. Und sie hatte das Gefühl, als würde sich diese Bewegung auf den Toten übertragen, denn dessen Fuß blieb nicht mehr ruhig. Er zitterte und schwang von einer Seite auf die andere.
Lebte er vielleicht?
War er gar nicht tot? Hatte man hier einen Scheintoten in die kalte Erde gelegt?
Alice wußte nicht mehr, woran sie denken sollte, denn das Zittern des Fußes hörte nicht auf. Er verstärkte sich sogar, und der Fuß rutschte weiter aus der Öffnung hervor.
Alice erstarrte vor Grauen. Auf einmal konnte sie nicht mehr weiter. Sie mußte stehenbleiben und zuschauen. Es war ihr unmöglich, auch nur einen Schritt nach vorn zu gehen, die Angst durchströmte ihr Inneres und lähmte sie.
Im nächsten Augenblick vernahm sie das Poltern und gleichzeitig das dumpfe Dröhnen, das sich durch den Stollen pflanzte, so daß die Wände vibrierten. Nichts, was locker war, blieb mehr an seinem Fleck.
Weshalb Alice gerade jetzt zwei Schritte vorging, konnte sie selbst nicht erklären. Vielleicht war das Poltern der entscheidende Grund gewesen, jedenfalls tat sie diese Schritte - und lief der aus der Öffnung rutschenden Leiche genau entgegen.
Sie fiel zusammen mit den Sargtüren schräg nach unten. Alice war so erschreckt, daß sie nicht ausweichen konnte, als der steife Tote auf sie kippte. Es sah aus, als wollte er sie ebenfalls in das jenseitige Reich holen.
Alice erstarrte vor Grauen. Sie hatte den linken Arm etwas vorgestreckt, dadurch hielt sie die Leiche noch auf, denn sie drückte sich gegen sie, und die Frau konnte ihr aus kürzester Entfernung in das fast verweste Gesicht schauen.
Es bot einen fürchterlichen Anblick. Knochen, Fleisch, leere Augenhöhlen, dazu ein fürchterlicher Gestank, der ihr den Atem raubte. Himmel, was konnte es Schlimmeres geben?
Die Leiche schwankte.
Alice berührte sie mit ihrer Handfläche und spürte genau die Kälte des Todes. Ihre Fingerkuppen übten einen Druck auf die spitzen, fleischlosen Knochen aus, so daß Alice im wahrsten Sinne des Wortes vom Grauen geschüttelt wurde.
Sie wußte sich nicht mehr anders zu helfen, als zu schreien. Zeter und Mordio schrie sie, während die Leiche von ihr festgehalten wurde und sie giftig angrinste…
Es war zu einer gewaltigen magischen Entladung gekommen. Wieso und weshalb, darüber wollte Suko in diesen Momenten nicht nachdenken. Für ihn zählten nur die Tatsachen, und die waren schlimm genug.
Er mußte zusehen, daß er aus dieser Grabkammer herauskam, denn erste Erschütterungen durchliefen nicht nur den Boden, auch die Wände und die Decke über ihm.
Dabei glaubte er fest daran, daß er nicht das auslösende Moment gewesen war. Jemand anderer hatte eingegriffen. Möglicherweise sogar John Sinclair.
Der Grabschläfer schlief nicht mehr. Er lag zwar noch auf dem Rücken, aber jetzt schrie er seine Not hinaus. Er merkte, daß die Magie zusammenbrach, er strampelte, er heulte, er wollte nicht mehr, und als Suko sich zur Seite beugte, um ihn zu packen, drehte er sich und rammte dem Inspektor die Füße in den Bauch.
Der Tritt holte Suko von den Beinen. Er flog durch die Grabkammer, schaufelte mit den Armen, suchte nach Halt und knallte mit dem Rücken gegen die Wand.
Dort prellte er sich seinen Hinterkopf. Er sah Sterne. Tränen schossen ihm in die Augen, verzweifelt schnappte er nach Luft und hatte Mühe, sich zurechtzufinden.
Die Aktion seines Gegners konnte nicht mit normalen Dingen zugegangen sein. Hinter dem Tritt hatte eine mörderische Kraft gesteckt, wie sie ein Mensch nicht haben konnte.
Etwas fauchte heran. Suko sah es nicht, er hörte es nur, dann packte ihn ein magischer Sturm, schleuderte ihn zur Seite und auch auf den Boden, wo er auf allen vieren weiterkroch und sich dem Ausgang des Stollens näherte.
Nur so konnte es Suko schaffen.
Ihm war O'Hirie jetzt egal. Suko mußte diesen entfesselten Gewalten entrinnen, denn sie würden das gesamte Grabmal nicht mehr länger stehenlassen und zum Einsturz bringen. Unter den Trümmern begraben zu werden, bedeutete das Ende.
Einmal riskierte es der Inspektor noch und drehte sich um. Er sah O'Hirie jetzt neben der Grabstätte stehen. Seine Gestalt wurde von roten Blitzen umlodert. Er hielt die Arme hoch ausgestreckt und schrie ständig den Namen des Götzen.
»Wahina…«
Suko raffte sich hoch. Geduckt torkelte er in den Stollen. Auch dort tat sich
Weitere Kostenlose Bücher