0423 - Rally des Schreckens
wie vor befand er sich in der Mulde mit dem durchgedrückten Rücken. Die Arme hatte er halbhoch gestreckt, als wollte er irgend etwas greifen, das nur er sah und sonst kein anderer.
Wieder sprach Suko ihn an. Seine Stimme war zu einem scharfen Flüstern geworden. »Der Geist des Götzen, du mußt ihn sehen. Wo ist er?«
»Er ist da. Bei mir!«
»Nicht im Auto?«
Der Mann lachte leise. »Auch!« sagte er. »Ja, auch. Ich bin auch dort. Ich bin Wahina, ich bin überall…«
Suko bekam leichtes Magenziehen. »Okay, du bist also am Auto. Es ist aber nicht leer.«
»Nein.«
»Kennst du den Mann, der darin sitzt?«
»Ja, er kommt aus London. Er wollte Wahina vertreiben. Jetzt wird er getötet.«
Der Inspektor erschrak. »Getötet? Wie?«
»Ich bin mächtig!« erklärte der Bürgermeister im Brustton der Überzeugung. »Ich bin sehr, sehr mächtig, denn ich kann überall sein. Hier im Auto, eben…«
»Ja, du bist mächtig«, gab Suko zu und auch, um ihm zu schmeicheln. »Ich will wissen, wie du ihn tötest. Sag es mir, dann beweist du mir deine Macht.«
»Er hat etwas, das er nicht behalten soll.«
»Und was?«
Das Gesicht des Mannes verzerrte sich. »Ich hasse es. Ich habe schon immer gehaßt. Es ist das Kreuz. In seinem Zeichen hat man mich damals vertrieben. Jetzt ist es wieder da. Aber ich werde diesmal kämpfen. Ich lasse es nicht zu, daß man mich noch einmal vertreibt. Ich hasse das Kreuz. Ich hasse ihn, aber er ist mein Gefangener. Er sitzt im Wagen, und er kann nur noch leben, wenn er sich von seinem Kreuz trennt. Ich habe es so gewollt. Ich werde ihn vielleicht nicht töten, wenn er es wegwirft. Er muß sein Kreuz fortschleudern.«
»Tut er es?«
»Er hält es schon in der Hand!« Gütiger Himmel, dachte Suko und hatte das Gefühl, als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden.
»Und? Wirft er es weg?«
»Er…« Bisher hatte der Mann gelegen. Plötzlich schwang er seinen Körper in die Höhe. »Er ist… neinnn…« Der Schrei raste durch das Grabmal. Plötzlich hörte Suko ein dumpfes Poltern, gleichzeitig wurde er von einem gewaltigen Stoß erfaßt, bis gegen die Wand geschleudert, wo er zusammenbrach. In dem Grab tobte eine wahre Hölle aus Magie, und aus dem Gang hörte er den gellenden Schrei der Alice Winger…
***
Alice hatte in den letzten Minuten mehr erfahren und erlebt als in ihrem gesamten Karriereleben zuvor. Da war bei ihr eine festgefügte Welt zusammengebrochen, obwohl man auf ihre Anordnung hin Scotland Yard und damit die beiden Beamten eingeschaltet hatte.
Sie war von einer Gangsterbande ausgegangen, von einer Industriespionage, die sogar vor Mord nicht zurückschreckte, das alles konnte sie nun vergessen und sich mit anderen, übersinnlichen Dingen auseinandersetzen.
Mit Götzen, mit Grabschläfern und manipulierten Menschen - und natürlich mit der Magie.
Jetzt wollte sie nicht mehr. Sie hielt es in dieser verfluchten Grabkammer nicht aus. Sie mußte weg, verschwinden, einfach ausbrechen, sonst wurde sie noch verrückt.
Zum Glück hatte sie eine Lampe mitgenommen. Zwar nur klein, aber das Licht wies ihr den Weg durch den verdammt dunklen Stollen und sorgte dafür, daß sie auch gewissen Hindernissen ausweichen konnte.
Dabei reagierte sie trotzdem kopflos, denn sie lief noch gegen die Ecke, als der Gang dicht hinter der Grabkammer einen Knick machte. Heftig stieß sie sich den Kopf, schüttelte ihn dann, blieb für einen Moment stehen, atmete die alte, kalte und feuchte Luft ein, um sich wieder zusammezureißen und weiter zu laufen. Vor ihr lag der Gang, der unter dem alten Friedhof herführte. Und vor ihm fürchtete sie sich.
Sehr deutlich hatte Alice noch dieses schreckliche Bild in Erinnerung, wo Teile des Sargs und damit auch noch ein Fuß der Leiche aus der Lücke in der Wand schauten.
Eine verdammt schlimme Vorstellung, die sich aber nicht wegdiskutieren ließ, außerdem war sie gezwungen, die Stelle zu passieren.
Und so lief sie weiter, die Lampe eingeschaltet in der rechten Hand, den Arm ausgestreckt und immer dem tanzenden bleichen Strahl folgend.
Der Stollen hatte an Breite zugenommen. Nicht mehr weit entfernt mußte die schreckliche Stelle kommen, von der die Frau eine so große Furcht besaß.
Sie spürte das Kratzen im Hals, ging nicht schneller, sondern langsamer, wußte selbst nicht, weshalb sie das tat und ließ den Strahl über die Wände wandern.
Er hinterließ dort einen hauchdünnen, blassen Streifen, der viel aus der Finsternis
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