0424 - Das lebende Bild
Baphomet gehörte und von ihm, Bilder-Franz, verwaltet wurde.
Der Mann wußte genau, was er zu tun hatte. Er war nicht sicher, ob der große Baphomet kam, aber er würde und wollte alles für ihn vorbereiten, um ihm einen würdigen Empfang zu bereiten.
In seinem Haus befand sich unten der Laden, darüber die Wohnung des Mannes, und in der nächsten Etage warein ziemlich großer Speicher, auf dem noch alte Bilder lagerten.
Es war zwar mühsam, die Bilder immer ins Geschäft zu schleppen, aber unterhalb seines Geschäfts hatte er keine Lagermöglichkeit gesehen. Die Kellerräume brauchte er für andere Dinge.
Als er die Wohnungstür schloß, sah er gleichzeitig auf seine Uhr.
Wahrscheinlich kämpfte Sinclair jetzt um sein Leben oder war schon tot. Nürnberg sollte für ihn zum Grab werden.
Der Mann wandte sich nach links. Er mußte die schmale Treppe erreichen, die geradewegs zum Ziel führte, ohne daß er dabei durch sein Geschäft gehen mußte.
Sehr schnell huschte er die Stufen hinab. Dabei kannte er jeden Schritt, die Treppe war er schon zu oft gegangen, und er passierte auch sein Geschäft, bevor er in die tieferen Räume eindrang.
Da lag der Keller?
Innerlich lachte er auf. Nein, ein Keller war es nicht, sondern eine Welt für sich. Seit Jahrhunderten bestand sie und hatte im Mittelalter schon zu den Räumlichkeiten gehört, die vom Schreien der Gefolterten durchdrungen waren.
Daran hatte sich bis auf die heutige Zeit nicht viel geändert, auch wenn in der Gegenwart die Schreie einen anderen Grund hatten.
Der direkte Zugang zu den Kellerräumen bestand aus einer normalen Tür. Wer davorstand, der konnte nicht glauben, was sich hinter der Tür verbarg.
Der Mann öffnete sie.
Das Quietschen der Angeln übertönte seinen saugenden Atemzug, mit dem er die feuchte, modrige Luft einatmete. Er starrte hinein in eine erschreckende Finsternis, aber er kannte sich aus und konnte sich demnach im Dunkeln sicher bewegen.
Die Fackel lag griffbereit hinter der Tür in einer Wandnische.
Auch Zündhölzer waren vorhanden, deren Flammen über den geteerten Kopf der Fackel zuckten und das Pech anbrannten. Ein rotgelber Flammenfinger zuckte in die Höhe.
Bilder-Franz blickte auf die feuchten Stufen einer Treppe, die in die Tiefe führte. Sie war einige Meter breit, das Licht erreichte nicht einmal deren linkes Ende. Doch auf der rechten Seite standen eiserne Gefäße, gefüllt mit brennbarem Material.
Es fing sofort Feuer, als die Flamme es berührte. So kam es, daß die Lichter die breiten Treppenstufen beleuchteten und den Weg des Mannes in die Tiefe des Kellers begleiteten.
Er kam sich vor wie ein Küster der Hölle. Zielsicher ging er zu den einzelnen Lichtquellen, fuhr mit seiner Fackelflamme darüber hinweg und sorgte dafür, daß das Material in den aufgestellten Schalen entflammt wurde.
Allmählich wurde das Innere dieses im Mittelalter angelegten Gewölbes aus der Finsternis gerissen.
Es war gewaltig, weiträumig, hatte mehrere Räume, deren Eingänge durch Säulen markiert wurden.
Sogar alte Folterinstrumente waren noch vorhanden. Manche sahen nicht so verrostet aus. Es schien, als wären sie noch vor kurzer Zeit benutzt worden…
Folter, Grauen und der Teufel – diese drei Dinge gehörten unmittelbar zusammen. Das wurde auch hier wieder bewiesen.
Und dann gab es noch den Thron.
Zu ihm führte eine Treppe hoch. Auf der nach der letzten Stufe folgenden Plattform stand der steinerne Sessel in Form eines gewaltigen Schädels. Er sah so aus wie das Gesicht Baphomets, nur hatte dieser Schädel sein Maul weit geöffnet, so daß es als Sitzfläche diente. Aus der Stirn wuchsen die krummen Hörner der Decke entgegen, und Bilder-Franz betrat voller Ehrfurcht die Treppe. Seine Fackel hielt er in der rechten Hand und ziemlich hoch, so daß ihr zuckendes Licht über das als Sitzplatz umfunktionierte Gesicht fiel.
Neben dem Thron standen zwei eiserne Fackelhalter. Im linken steckte eine Fackel, die erst angezündet werden mußte, der rechte war noch frei, bis Franz seine Fackel hineindrückte.
Danach setzte er sich auf den Thron. Es wirkte so, als wollte er in dieses unheimliche Teufelsmaul hineinkriechen, tatsächlich verschwand er auch fast darin, als er sich zurückbeugte. Wenn er Baphomets Platz einnahm, hatte er stets das Gefühl, zu den ganz Mächtigen zu gehören. Sein Blick glitt durch das gewaltige Gewölbe. Hin und wieder stöhnte er auf, wenn er das Licht der Fackeln tanzen sah und die Schatten
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