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0424 - Das lebende Bild

0424 - Das lebende Bild

Titel: 0424 - Das lebende Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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jedesmal ein Krachen und Dröhnen.
    Vor uns stieg der Turm in die Höhe.
    Er mußte sehr alt sein, denn seine Bauweise erinnerte mich an die Romanik. Ähnliche Türme kannte ich von den alten englischen Burgen her, die ein Jahrtausend und manchmal mehr auf dem Buckel hatten.
    Die Wände waren bespickt mit zahlreichen, lukenartigen Fenstern. An dem grauen Gestein klebte auch das Eis, und auf dem Spitzdach des Turms lag noch der festgefrorene Schnee.
    Über dem Eingangstor brannten Fackeln. Wie Schleier strich der dunkelrote Widerschein an der Außenwand in die Höhe und zuckte bei jedem Windstoß wie ein Irrlicht.
    Der Platz vor dem Turm war ziemlich groß, aber leer. Es schien so, als hätten die Menschen Angst, ihn zu betreten. Vielleicht wollten sie sich auch erst Mut antrinken.
    Im Schatten einiger mit Schnee beladener Bäume stand ein Leiterwagen, dessen Oberteil als Käfig gebaut war. Ein Todeskarren, in dem die Kandidaten zur Hinrichtung gefahren wurden.
    »Wo befinden sich die Wächter?« fragte ich.
    Mein Begleiter wußte es auch nicht genau. »Ich nahm an, daß wir sie im Turm finden würden.«
    »Dann laßt uns gehen.«
    Er stieß mich an. »Wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen? Denkt an die Gefahr, in die Ihr Euch begebt.«
    »Nein, ich habe mich einmal entschlossen. Ich will die Gefangenen sehen. Wenn sie zu der Gruppe gehören, für die ich sie halte, wird es sehr interessant.«
    »Aber was…?«
    »Später, mein Lieber, später…« Ich war entschlossen, meinen Weg zu gehen. Und der führte mich auf das Turmtor zu. Es war gewaltig. Um es aufzubrechen, mußte man schon Rammen einsetzen.
    »Wenn es verschlossen ist, können wir wieder zurückgehen«, sagte der Student.
    Es war nicht verschlossen, und auch den langen Holzriegel hatte man nicht vorgelegt. Den gleichen Riegel entdeckte ich an der Innenseite, als wir den Turm betreten hatten.
    Georg von Spränge war hinter mir geblieben und drückte die Tür so behutsam wie möglich wieder ins Schloß. Wir wollten bei unserem Eintritt nicht unnötig auffallen.
    Es war nicht dunkel. In dem hallenartigen unteren Raum des Turms brannte Feuer. Die Flammen zuckten aus flachen Schalen hoch, die auf eisernen Ständern standen. Sie gaben der Halle ein besonderes Flair und huschten als Licht- und Schattenstreifen auch über den glatten Steinboden, auf dem wir standen.
    Außer uns beiden befand sich niemand in dieser Halle. Sie enthielt auch keine Gegenstände, und die Wände waren ebenfalls kahl, bis auf das Spiel aus Licht und Schatten.
    Georg hatte wieder Mut gefaßt und sich von mir entfernt. Auch seine Gestalt warf einen tanzenden Schatten auf den Boden. Er begleitete ihn bis in den Hintergrund der Halle, wo sich die Dunkelheit zusammenballte, als Georg stehenblieb und mir zuwinkte.
    Ich ging zu ihm.
    »Hier sehe ich eine Treppe!« flüsterte er.
    Ja, sie führte in die Verliese. In unserer Höhe wand sie sich um eine Säule herum und führte anschließend als Wendeltreppe in die Spitze des Turms.
    Wir wollten nach unten.
    Georg von Spränge war schon vorgegangen und auf dervorletzten Stufe stehengeblieben. Er horchte in die Tiefe des Kellers hinein und drehte sich dabei zu mir um. »Ich… ich höre Stimmen …«
    »Von mehreren Personen?«
    »Ja, das sind die Aufpasser.«
    »Gehen wir.«
    Da er zögerte, machte ich den Anfang und schob mich an ihm vorbei. Zuerst hörte ich seine Schritte nicht. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich entschloß, mir zu folgen. Dabei murmelte er Worte, die ich nicht verstand. Vielleicht bedauerte er sein Schicksal.
    Möglicherweise sollten ihn die Worte auch aufrichten.
    Über alte, nicht geglättete Steinstufen schritten wir hinweg. Uns drang nicht einmal die Wärme irgendeines Fackelfeuers entgegen.
    Dementsprechend kalt und feucht war es. Die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt herum. An manchen Stellen der Innenwände schimmerte ein heller Eisfilm.
    Geräuschlos konnten wir nicht in die Tiefe steigen. Das war auch nicht nötig, denn die Wächter schienen mir ziemlich sorglos zu sein.
    Sie unterhielten sich lautstark.
    Auch in die Tiefe führte die Treppe. Als wir zwei Kurven hinter uns gelassen hatten und der Blick über die Stufen hinweg in die Tiefe glitt, fiel uns der rote Feuerschein auf, der sich zu einer geisterhaft wirkenden Wolke vereinigt hatte.
    Dort mußten die Aufpasser hocken.
    Einer von ihnen grölte ein Trinklied. Er sang nur die erste Strophe. Danach hörten wir das anschlagen von Tonkrügen und

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