0424 - Verpfiffen und mit Blei bezahlt
Nummer vom General Postoffice heraus.
»Haben Sie zufällig eine Ahnung, in welcher Abteilung Miss Purdy arbeitet?«, fragte ich. Mrs. Holberry schüttelte den Kopf.
Ich wählte das General Postoffice und ließ mir die Personalabteilung geben. Hier erfuhr ich ihre Dienststelle und ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Ich ließ mich mit ihm verbinden.
Mr. Frey war ein Mann mit der Stimme eines Großvaters. Ich stellte mich nur mit meinem Namen vor und fragte nach Miss Purdy.
»Miss Purdy ist gestern Abend plötzlich erkrankt. Die Entschuldigung liegt schon vor. Wenn Sie das junge Mädchen sprechen wollen, müssen Sie es schon zu Hause besuchen.«
Ich bedankte mich und hängte ein.
Mrs. Holberry sah mich fragend an.
»Miss Purd’y ist nicht zum Dienst gefahren. Vielleicht macht sie mit ihrem Freund einen Ausflug«, sagte ich, »aber das ist kein Grund, die alte Dame allein zu lassen. Es ist bereits elf Uhr durch, und die alte Dame wird auf Ihren Besuch warten, Mrs. Holberry. Kommen Sie.«
Wir fuhren zur Catherine Street 137. Es war ein Haus mit schmutziger Fassade. Ich stöberte den Hausmeister auf, zeigte ihm meinen Ausweis und bat ihn, die Tür zu Mrs. Purdys Wohnung zu öffnen. Der Hausmeister besaß einen Generalschlüssel.
Wenige Minuten später stand ich mit Mrs. Holberry am Bett der alten Frau.
»Du kommst aber spät«, sagte sie vorwurfsvoll, »ist dieser Herr wieder so ein Staubsaugervertreter, wie er gestern Abend da war?«
»Nein, Madam, ich verkaufe Ihnen keine Staubsauger. Ich bin ein Bekannter von Mrs. Holberry und wollte Ihnen nur einen guten Tag wünschen«, entgegnete ich, »ist Ihre Tochter wie immer heute Morgen zum Dienst gegangen?«
»Ja, sie hat mir den Kaffee gemacht, und dann ist sie gegangen. Heute Nachmittag um halb fünf hat sie Feierabend.«
Die alte Frau sperrte ihre müden Augen auf und musterte mich sehr genau, als hätte sie ihren künftigen Schwiegersohn zu begutachten.
»Ja, wissen Sie, Amalie hat vergessen, mir den Schlüssel zu geben, darum hat es etwas länger gedauert«, entschuldigte sich Mrs. Holberry.
»Dabei habe ich ihr ausdrücklich den Auftrag gegeben«, sagte Mrs. Purdy mit der Strenge des Alters, »aber diese Kinder haben immer etwas anderes im Kopf.«
Mrs. Holberry wollte erklären, dass sie Amalie noch etwas nachgerufen habe. Aber ich winkte ab und fragte: »Gestern Abend sind noch Staubsaugervertreter hier gewesen?«
»Ja, zwei Männer.«
»Hat Ihre Tochter einen Sauger gekauft?«
»Nein, sie behauptete, die Männer würden wiederkommen. Sie ist offenbar nicht mit ihnen einig geworden.«
»Hat Ihre Tochter gesagt, wann die Vertreter wiederkommen wollten?«
»Nein.«
»Sind sie heute Morgen schon da gewesen?«
»Nein, ich habe niemanden klingeln gehört«, erwiderte die Frau. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie an Gedächtnisschwäche litt und schon Tatsachen durcheinander warf. Als Zeugin war sie recht brauchbar.
»Wie oft hat Ihre Tochter schon krankgefeiert, seitdem sie beim General Postoffice tätig ist?«, fragte ich unvermittelt.
»Krank gefeiert? So etwas gibt es doch nicht«, widersprach die Alte, »so ein junges Ding ist doch nicht krank, nicht mal ich wäre krank, wenn ich nur die Beine bewegen könnte. Aber sie sind wie abgeschnitten.«
»Hm. Wir werden alle mal alt, Mrs. Purdy«, tröstete ich sie. Aber meine Gedanken waren bei den Staubsaugervertretern.
Ich verabschiedete mich von Mrs. Purdy und zog Mrs. Holberry in den Flur.
»Und?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht, Mrs. Holberry. Entweder haben Sie recht, und es ist eine Entführung, oder das Mädchen hat sich verliebt und macht einen Tag blau, zumal sie schon für eine Entschuldigung gesorgt hat. Sie hören von mir. Lassen Sie Mrs. Purdy heute nicht allein. Können Sie das einrichten? Und öffnen Sie keinem Staubsaugervertreter.«
***
»Nun, Miss Purdy«, sagte Turner mit einer Stimme wie ein Schulmeister, »haben Sie sich entschlossen, uns die Sache zu erklären, oder ist es Ihnen lieber, wenn fünf oder sechs Witwen hinter den Särgen ihrer erschossenen Ehemänner hergehen?«
Amalie riss ihren Blick von den Spielwaggons los und starrte Jule Turner an. Der Mann zeigte ein zynisches Grinsen. Dann wandte er sich zu Larry und sagte beiläufig: »Du siehst, so etwas macht mehr Eindruck als die Drohung mit halb verhungerten Ratten. Genauso war es besser, das Girl gleich mitzubringen und nicht bis heute Abend zu warten. Ich bin davon überzeugt, dass es uns den Spaß verdorben
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