0426 - Gangster in feiner Gesellschaft
steigst jetzt aus und suchst dir eine Bleibe, wo du für die nächsten Tage unterkriechen kannst.«
»Und Francis? Und Linda?«
»Du sollst mir keine Löcher in den Bauch fragen, habe ich gesagt. Ich kümmere mich schon darum!«
Renner warf einen Blick nach hinten, wo die Tommy Gun unter der Decke lag.
***
Die Haustür war nicht versperrt, und das war das Erste, was mir auffiel. Auf unser Klingeln meldete sich niemand. Im Haus war es totenstill. Ich schob mich an Phil vorbei und suchte den Lichtschalter.
»Hallo, Mr. Barnes!« Nichts regte sich. Allmählich wurde mir die Geschichte unheimlich. »Bleib du hier, ich werde mich ein bisschen umsehen!«
Mir fiel auf, dass verschiedene Türen offen standen, und das bestärkte mich in dem Verdacht, dass dies kein gewöhnlicher Abend für die Familie Barnes gewesen war. In der Küche suchte ich nach der Haushälterin. Vergeblich. Ich stieg in den ersten Stock hinauf und fand in einem Schlafzimmer eine Schublade auf dem Boden vor. Der Inhalt, typischer Kleinkram einer Frau, lag auf dem Boden verstreut. Im Flur entdeckte ich ein aus der Wandtäfelung losgerissenes Brett. Dahinter erstreckte sich in die Mauer hinein ein Hohlraum. Er war leer. Der verrutschte Teppich verriet, dass es hier jemand sehr eilig gehabt hatte.
»Niemand oben«, sagte ich achselzuckend zu Phil, als ich wieder unten ankam. »Bleibt noch der Keller.«
Ich ließ Phil im Flur zurück und machte mich an die Durchsuchung. Einige der Türen waren versperrt. Die Schlüssel hingen auch nicht, wie das oft bei Kellerräumen der Fall ist, an einem Nagel in der Mauer daneben. Ich rief wieder einmal nach Barnes. Ich fuhr herum, als es hinter mir an eine Tür pochte.
»Wer sind Sie? Helfen Sie mir!« Es war die Stimme eines jungen Mädchens.
»G-man Jerry Cotton! Sind Sie Linda Barnes?«
»Gott sei Dank! Der Gangster hat uns eingesperrt.«
»Miss Barnes«, sagte ich. »Gibt es irgendwo einen zweiten Schlüssel zu dieser Tür?«
»Nehmen Sie den der Kellertür. Er passt.«
Eine Minute später hielt ich eine schluchzende Linda Barnes in den Armen. Von ihrer Selbstsicherheit am Nachmittag war nichts mehr zu spüren. Ihre Augen hatten rote Ränder, und die Hände zitterten. Ich schob sie sanft an den Schultern auf einen Schritt Abstand.
»Wo sind die übrigen Hausbewohner, Miss Barnes? Wo ist vor allen Dingen Ihr Vater?«
Sie begann wieder zu schluchzen, aber ich konnte jetzt keine Rücksicht auf ihre flatternden Nerven nehmen.
»Ich weiß es nicht. Er hat mich allein in diesen Raum gesperrt. Ich weiß nicht, wo die anderen sind!«
Jetzt begann es an einer zweiten Tür zu pochen. Es stellte sich heraus, dass Mammie, die Haushälterin dahintersteckte. Aber der Schlüssel der Kellertür passte nicht. In einem anderen Raum fand ich einen Schraubenzieher und fing an, die Deckplatte des Schlosses abzuschrauben. Phil stand oben auf der Kellertreppe und sah mir interessiert zu. Er hätte mir gern geholfen, aber es war besser, er blieb oben und überwachte den Flur. Während ich arbeitete, hörte ich mir Linda Barnes Schilderung an. Kein Zweifel, es war Sid Buckany gewesen, der hier für einige Stunden die Familie Barnes terrorisiert hatte, während die Polizei ihn draußen auf der Straße und in billigen Absteigequartieren suchte. Ich überließ Mammie dem jungen Mädchen, oder vielmehr umgekehrt, denn es stellte sich heraus, dass die alte Frau die besseren Nerven hatte. Inzwischen ging ich daran, eine dritte Tür zu öffnen, obwohl es dahinter still war. Mammie und das Mädchen sahen mir mit großen Augen zu. Zum Glück waren es keine komplizierten Schlösser.
Die beiden Frauen drängten sich heran, als ich so weit war. Linda hielt die Hand vor den Mund und stieß einen spitzen Schrei aus, als sie ihren Vater auf dem kahlen Betonboden ausgestreckt sah. Barnes lag auf dem Gesicht, hinter dem linken Ohr sah man eingetrocknetes Blut. Ich beugte mich zu ihm herab.
»Er ist nicht tot, nur bewusstlos. Holen Sie bitte einen nassen Lappen!«
Mammie ging. Sie kam mit der halben Hausapotheke wieder, aber es gelang uns nicht, Barnes wieder zum Bewusstsein zu bringen. Phil half mir, ihn hinauf in sein Schlafzimmer zu tragen, wo wir ihn aufs Bett legten. Die Haushälterin hatte den vernünftigen Einfall, einige Gläser mit Whisky zu füllen. Sie scheute sich nicht, dass ihre mit einem Schluck auszutrinken und gleich wieder nachzufüllen.
Linda Barnes zögerte immer noch. »Trinken Sie«, sagte ich, »das wird Ihnen
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