0426 - Palast der Schattenwürger
ich meinen Lebensunterhalt verdienen kann.«
»Zunächst einmal wirst du bei uns wohnen können«, sagte Shao. »Uns fällt schon etwas ein.«
»Dafür danke ich euch.« Jane hob die Schultern. »Ich bin nur gespannt, wie John reagieren wird.«
»Er wird sich wundern«, sagte Suko, »obwohl er damit rechnet, daß du wieder nach London kommst.«
»Aber es wird nie mehr so werden wie früher.«
»Das stimmt allerdings.«
»Dennoch bin ich nicht mit leeren Händen gekommen«, sagte Jane. »Ich habe da etwas mitgebracht.« Sie öffnete ihre ebenfalls grüne Handtasche, die ziemlich groß war und eine beutelähnliche Form hatte.
Mit spitzen Fingern wühlte sie im Inhalt herum und fand genau das, was sie auch suchte. Einen Zeitungsausschnitt.
»Wer möchte ihn lesen?«
»Gib ihn Suko.«
Der Inspektor nahm ihn an sich, faltete ihn auseinander und begann mit der Lektüre. Normalerweise las Suko still, bei diesem Bericht gab er seine Kommentare ab. »Das gibt es doch nicht«, flüsterte er einige Male.
»So etwas von Zufall, wenn man das einem erzählt, nein, das kann ich kaum glauben.« Er schüttelte den Kopf, legte den Bericht auf den Tisch und schaute Jane Collins an. »Weißt du eigentlich, was du da gebracht hast?«
»Ja, einen…«
»Moment, Jane, an diesem Fall arbeitet zur Zeit John Sinclair. Sein Weg hat ihn ins Mittelmeer und bestimmt schon nach Afrika geführt, wie ich ihn kenne.«
»Er sucht die Schattenwürger?«
»In der Tat.«
Jane ließ sich zurücksinken. »Das habe ich nicht gewußt!« flüsterte sie.
Sie atmete durch die Nase ein und blickte zu Boden, als sie erzählte.
»Ali hat mir den Bericht gezeigt. Er kam zu mir und erzählte, daß er schon von den Schattenwürgern gehört hat. Es ist eine alte marokkanische Legende, eine sehr traurige und gemeine Geschichte, mit viel Magie und Mord. Er hält die Schattenwürger für sehr gefährlich. Seine Eltern haben früher darüber gesprochen.«
»Und ich sitze hier.«
»Weshalb?« fragte Jane.
»Man wollte mich nicht dabeihaben. Irgendeine Geheimdienstsache. Hast du mal was davon gehört?«
»Nein.«
»Aber weitere Details kannst du mir nicht über die Schattenwürger nennen - oder?«
»Leider nicht, Suko.«
Der Chinese schabte sein Kinn. »Jedenfalls sind die Gegner gefährlich. Sie haben eine Spur von Toten hinterlassen. Ich wüßte auch nicht, wie wir John helfen könnten.« Suko blickte die beiden Frauen an. »Ihr etwa?«
»Nein.«
»Dann können wir nur hoffen, daß John es schafft.«
»Man könnte auch nach Marokko fliegen«, schlug Jane Collins vor.
Suko hob die Schultern. »Das würde ich sofort machen, auch auf eigene Rechnung. Aber ohne Spuren oder Hinweise? Nein, da werden wir John Sinclair kaum finden.«
»Was machen wir dann?« fragte Jane.
»Abwarten und Tee trinken, mehr nicht.«
»Und den Tee werde ich uns jetzt aufgießen«, erklärte Shao. »Einen Willkommenstrunk muß es schließlich geben.«
Jane Collins hatte nichts dagegen.
***
Das Wasser entwickelte sich allmählich zu einem kleinen Höllenfluß, der durch ein felsiges, von hohen und schroffen Steinen umsäumtes Bett gurgelnd und brausend dahinschoß, hin und wieder tückische Fallen bildete und über die aus dem Wasser ragenden Felsen schäumte.
Hätten wir unsere Lampen nicht besessen, wäre es stockfinster gewesen. So standen Culver und ich dicht hinter dem steuernden Touat und leuchteten die Wasserfläche ab.
Der junge Mann bekam immer wieder Schwierigkeiten wegen seiner Hand. Schließlich übernahm Culver das Ruder.
Touat war froh darüber. Er ließ sich zu Boden fallen und preßte seinen Rücken gegen die Bordwand. Auf seinem Gesicht glänzten Schweißund Wassertropfen.
Über die eigentliche Länge des unterirdischen Flusses hatte er uns nichts sagen können. Wir wußten nur, daß er irgendwann wieder ins Freie traf, um als Wadi zu enden.
Wadis nennt man in der Wüste die ausgetrockneten Flußbetten, die sich, wenn es einmal stark regnete, blitzschnell füllen konnten. Es war schon vorgekommen, daß Menschen sich nicht rechtzeitig genug in Sicherheit gebracht hatten und in einem Wadi ertrunken waren, als die Flutwelle mit immenser Wucht heranrauschte.
Manchmal verengte sich das Bett. Da wurde dann die gleiche Masse an Wasser zusammengepreßt, so daß sich die Geschwindigkeit stark erhöhte. Die reißende Strömung tat dann mit unserem Boot, was sie wollte. Aber wir hatten Glück und waren nicht einmal gegen irgendwelche Felsen geschleudert
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