043 - Das Geheimnis der Schattenhand
Ihnen, daß Sie gleich umkehrten«, sagte Herbert Kolesik. »Meinen Sie wirklich, daß mir Gefahr droht?«
Ja, dachte ich, doch ich sagte: »Es ist vernünftiger, einmal zuviel, als einmal zuwenig vorsichtig zu sein.«
Vladek sah mich an. »Einer von uns beiden sollte bei Herrn Kolesik bleiben, Tony.«
»Zu demselben Schluß kam ich auch gerade«, sagte ich. »Mir wäre es recht, wenn du das übernehmen würdest.«
»Und was tust du?«
»Ich mache die Fahrt auf den Kobenzl allein. Du leihst mir doch deinen Wagen?«
»Selbstverständlich, aber…«
Ich hob die Hand. »Keine Debatten, Vladek.« Ich wandte mich an den Mann, dessen Leben es zu schützen galt. »Herr Rodensky wird ab sofort Ihr Schutzengel sein. Bleiben Sie nach Möglichkeit zu Hause. Sollten Sie das Haus verlassen müssen, sollten Sie Herrn Rodensky erlauben, Sie zu begleiten.«
»Natürlich, Mister Ballard«, sagte Kolesik.
»Kommst du noch auf einen Sprung mit raus?« sagte ich zu Vladek.
»Klar, Tony.«
Draußen schärfte ich ihm ein, niemanden an Kolesik heranzulassen. »Du weißt, wie gefährlich die Schattenhand ist.«
Vladek nickte. »Ja, Tony, und weil ich das weiß, sehe ich es nicht gern, daß du ohne mich losziehst.«
»Es geht nicht anders. Wir müssen uns trennen.«
»Ich versteh’s ja, aber recht ist es mir nicht.«
»Du haftest mir mit deinem Skalp für Kolesiks Leben. Sein Bruder kann zum Zombie geworden sein.« Vladek drückte mir die Fahrzeugschlüssel in die Hand. »Hals- und Beinbruch, Tony.«
»Wird schon schiefgehen«, sagte ich und kehrte zum Rover zurück. Als ich einstieg, hatte ich kein besonders gutes Gefühl. Vielleicht wäre es besser gewesen, auch hier zu bleiben. Andererseits erschien es mir aber auch wichtig zu sein, in der leeren Restaurant-Bar auf dem Kobenzl nach dem Rechten zu sehen.
Als die Polizei oben war, hatte sich die Schattenhand nicht gezeigt.
Vielleicht ließ sie sich aber blicken, wenn ich das alte Gebäude allein betrat. Ich mußte meinen unbekannten Gegner herausfordern, wenn ich ihm das hinterhältige Handwerk legen wollte.
***
Sie hießen Ernst Mrozek und Guido Jure. Ihre Namen bewiesen allein schon, daß es sich um waschechte Wiener handelte. Mrozek war groß und schwarzhaarig. Jure überragte seinen Freund noch um einen halben Kopf, war brünett und trug eine Hornbrille, deren Gläser kaschierten, daß er leicht schielte.
Beide waren Anfang 20 und hatten sich ein kindliches Gemüt bewahrt. Sie waren mit Franz Kolesik befreundet gewesen. Davon, daß er ein Opfer der gefährlichen Schattenhand geworden war, wußten sie nichts, und auch nichts davon, daß Otto Baumann nicht mehr lebte.
Und sie wußten auch nicht, daß sie eine schwarze magische Lawine ins Rollen gebracht hatten.
Mrozek war der anonyme Anrufer gewesen, der Otto Baumann zur Restaurant-Bar geschickt hatte, denn er hatte sich gestern mit seinem Freund in jenes düstere Gebäude begeben, um eine möglicherweise gewinnbringende Entdeckung zu machen.
Den Tip hatten sie von Franz Kolesik bekommen, dessen Hobby es war herauszufinden, welche Vorkehrungen die Menschen während des Zweiten Weltkrieges getroffen hatten, um sich und ihre Habe in Sicherheit zu bringen.
Dabei war er auf Hinweise gestoßen, daß es unter der Restaurant-Bar einen Stollen gab, den der damalige Besitzer in den Berg graben ließ. In diesem Stollen wollte der Mann dann sein gesamtes Hab und Gut unterbringen.
Die ersten Wertsachen wurden unter die Erde gebracht, aber dann stürzte ein Teil des Stollens ein, es gab einen Toten, den man nicht mehr befreien konnte, und so ließ der Besitzer des Lokals den Stollen zumauern und seine weitere Habe an einen anderen Ort jenseits der Donau schaffen.
Der Mann starb noch während des Krieges, und der Stollen geriet in Vergessenheit, doch Franz Kolesik stieß durch Zufall darauf und erzählte seinen beiden Freunden davon, die daraufhin den Entschluß faßten, sich dort oben auf dem Kobenzl mal unter der Erde umzusehen.
Mit zwei Spitzhacken und einem Klappspaten betraten sie den Keller des alten Gebäudes und suchten nach jener Mauer, die den Stollen verdeckte. Nach zwei Mißerfolgen fanden sie die richtige Ziegelmauer und hieben ein Loch hinein, das groß genug war, um hindurchzuschlüpfen.
Mrozeks Bein stand schon jenseits der Mauer, als sie ein grauenerregendes Stöhnen und Röcheln vernahmen. In heller Panik ergriffen sie die Flucht. Jure redete so lange von einem Geist, von einem Ungeheuer, bis Ernst Mrozek
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