0432 - Die Rache der Kobra
wurden nicht gesenkt.
»Das hat keinen Sinn«, flüsterte Nicole so leise, daß sie von den Bewaffneten nicht gehört werden konnte. »Sie reagieren nicht darauf.«
Immerhin mußten sie ihn verstanden haben, so wie er sie auch verstanden hatte. Mit der Sprache hatte er in Ash’Cant noch nie Probleme gehabt. Woran das lag, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen. Das Amulett als Übersetzer schied aus. Es war anscheinend so, als würde hier eine Art Universalsprache verwandt, die jeder beherrschte, ohne sie erlernt zu haben.
Ähnlich war es doch auch gestern erst gewesen, auf jener anderen Welt, zu der sie verschlagen worden waren, um dort Menschen zu finden, die von Vampiren eines MÄCHTIGEN bedroht wurden!
Plötzlich bahnte sich eine Gestalt ihren Weg durch die Menge. Ein hochgewachsenes Wesen, das eine graue Kapuzenkutte trug. Unter der Kapuze lag das Gesicht im Schatten und war nicht zu erkennen.
»Der Weise Rarrek!« raunte jemand. »Macht dem Weisen Rarrek Platz!«
Der Hochgewachsene blieb schließlich nur ein paar Meter vor den drei Menschen entfernt stehen. Er starrte sie an. Immer noch konnte Zamorra nicht viel von seinem Gesicht erkennen. Doch es schien nicht ganz menschlich zu sein. Es kam dem Meister des Übersinnlichen vor, als glühten die Augen des Weisen schwach.
Zamorra lauschte dem Klang des Namens nach, der eine Saite in seiner Erinnerung anschlug. Er wußte, daß er ähnliche Laute schon etliche Male gehört hatte, so hart und knarrend, als belle ein Krokodil…
Rarrek…
Und da hob der Weise eine Hand und deutete damit direkt auf Zamorra. Der sah eine feine Schuppenhaut und Finger, aus deren Kuppen spitze, scharfe Krallen ausfuhren.
Der Weise schwenkte den Arm leicht, ließ ihn von Zamorra abweichen. Er schien etwas irritiert zu sein. Jetzt deutete er auf Ted Ewigk.
»Er«, stieß er hart und knurrend hervor. »Er - ist - ein - Silberteufel!«
***
Eine grünlich gekleidete Gestalt kletterte behende durch das Fenster in Laniahs Zimmer. Der Mann mit den kalten Schlangenaugen sah sich blitzschnell um und entdeckte die Messing-Kobra, die mitten im Zimmer auf dem Boden lag Er lächelte nicht. Nichts zeigte seine Zufriedenheit an, als er sich bückte und die Schlange vom Boden des menschenleeren Zimmers aufhob. Als er den Mund öffnete, zuckte sekundenlang eine dünne, gespaltene Zunge daraus hervor.
Er verstaute die starre, kalte Metallschlange in einer Tasche seines dumpfgrünen Gewandes. Dann kletterte er wieder aus dem Fenster. Noch einmal sah er hinauf. Seine Arbeit war so gut wie getan. Vor ein paar Minuten hatte er, in den Schatten versteckt, die Schlange durch das offene Fenster geworfen, nachdem er bemerkt hatte, wie leicht es war, dort einzusteigen, und nachdem er gefühlt hatte, daß sich ein warmblütiges Lebewesen, folglich ein Mensch, im Zimmer befand. Jetzt hatte er die Messingschlange zurückgeholt. Nun brauchte er sie nur noch in den Tempel zu bringen.
Er dachte nicht daran, zu laufen. Immerhin befand er sich mitten in einem Dorf, und laufende Menschen fallen immer auf. Er war zwar kein Mensch mehr, aber er sah wie einer aus.
Der untote Ssacah-Diener brachte dem Tempel ein neues Opfer…
***
Yorge war einer der wenigen, die sich nicht von der allgemeinen Hysterie hatte anstecken lassen.
Was scherten ihn die Silberteufel? Sollte der Weise Rarrek sich um sie kümmern. Oder die anderen Männer des Dorfes. Er wollte sich jedenfalls seine Stimmung nicht verderben lassen. Er hatte zwei Flaschen des besten Weines aufgetrieben, der in diesem Landstrich zu erhalten war, und zumindest eine davon würde er zusammen mit Laniah genießen, während sie beisammen waren, sich streichelten und küßten und liebten. Die andere wollte er ihr dalassen, fürs nächste Beisammensein…
Er liebte Laniah, und er sah nicht ein, daß das Erscheinen von Silberteufeln ihm alles durcheinanderbrachte. Außerdem war es fraglich, ob es sich tatsächlich um Silberteufel handelte. Wer wußte schon, wer da was gesehen und möglicherweise falsch gedeutet hatte. Silberteufel waren schon lange nicht mehr in der Gegend gewesen, mancher munkelte gar, sie seien ausgestorben…
Yorge näherte sich dem Haus von Laniahs Familie. Schon von weitem sah er das geöffnete Fenster, während er zum Dorfplatz und der Säule hinüberschaute, die den drei Göttern geweiht war. Dort versammelte sich das halbe Dorf. Offenbar war doch etwas an der Sache mit den Silberteufeln…
Aber das sollte ihn heute nicht
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