0436 - Tanz auf dem Scheiterhaufen
herbei. Er hörte ihre Schritte und drehte sich um. Sie hatte die Hand mit der Beretta sinken lassen, starrte an Suko vorbei auf die Alte und fragte: »Ist sie tot?«
»Ja.«
»Sie hat sich selbst gerichtet - oder?«
Suko nickte und bat seine Partnerin, zurückzugehen. Dann räumte er mit der Peitsche auf.
Wie ein Berserker schlug er auf die halbfertigen Gestalten ein. Nur das Klatschen der magischen Riemen war zu hören, als Suko sich an die Arbeit begab und die aus Erde bestehenden Figuren regelrecht zerhämmerte, so daß sie zusammenfielen und als große Stücke auf dem Boden verteilt liegenblieben.
Er nickte sich selbst zu. »Das ist erledigt«, sagte er. »Jetzt fühle ich mich besser.«
»Und wir haben die Walpurgisnacht«, flüsterte Shao. »Das ist die Nacht der Hexen. Sie werden noch stärker sein als sonst.«
»Das können sie ruhig.«
»Willst du zur Burg?«
»Ja, denn nur dort kann ich das Tor finden, das uns eventuell wieder zurückbringt.«
Shao hob die Schultern und blickte zur Seite. Sie sah dabei in die Dunkelheit hinein und meinte mit schwacher Stimme. »Du mußt es wissen, Suko.«
»Das klingt nicht begeistert. Hast du eine andere Lösung parat?«
»Nein.«
»Dann werden wir zur Burg fahren.«
»Und zum Scheiterhaufen - oder?«
»Ich glaube nicht, daß es die Große Mutter schaffen wird, dich auf den Scheiterhaufen zu stellen. Für mich ist einzig und allein das Hexentor wichtig. Wenn es uns gelingt, seine Kräfte auszunutzen, könnten wir wieder in unsere Zeit zurück.«
»Und wenn nicht?«
»Denkst du darüber nach, Shao?«
»Manchmal.«
»Laß es lieber bleiben.«
***
Die Worte des jungen Mannes hatten die anderen schweigsam werden lassen. Jeder dachte für sich über seine eigene Lage nach. Nur manchmal, wenn draußen der Wind das Fackelfeuer bewegte, sich die Schatten veränderten, so daß sie an den vergitterten Fensteröffnungen tanzten, schauten die Gefangenen noch hoch.
Doch man ließ sie in Ruhe.
Gordon hatte sich wieder zu den beiden Frauen gesellt. Sie hockten mit angewinkelten Beinen am Boden und hatten die Hände um ihre Knie gespannt. Eve rauchte wieder. Gedankenverloren starrte sie dem Qualm nach, der über ihre Lippen drang, als könnte sie aus dem Rauch herauslesen, was das Schicksal noch für sie parat hielt.
Tina war bleich. Als sich Gordon neben sie gesetzt hatte, lehnte sie den Kopf an seine Schultern.
»Kannst du mir sagen, wie es ist, wenn man stirbt?«
»Nein, ich bin noch nicht gestorben!«
Sie lachte bitter auf. »Das kann ich mir denken. Doch man liest so viel. Neulich stand in einer Zeitung der Bericht von einem Menschen, der aus dem Jenseits zurückgekehrt ist. Er sprach von einem hellen Licht, stärker als die Sonne soll es sein. Das muß für ihn wunderbar gewesen sein, denn er verspürte keine Angst. Vielleicht hat man das auch nicht, aber die Zeit vor dem Tod muß so schrecklich sein. Die Schmerzen, das Wissen, daß bald alles vorbei ist. Wenn ich daran denke, könnte ich wahnsinnig werden.«
»Du lebst doch noch.«
»Was ist das für ein Leben. Es ist für mich schon die Zeit vor dem Tod.«
Eve drehte den Kopf. »Hör bitte auf, so etwas zu sagen«, bemerkte sie. »Das macht mich nervös.«
Sie zündete sich eine neue Zigarette an der Glut der alten an.
»Willst du dich den Tatsachen nicht stellen?«
»Was heißt Tatsachen? Ich werde mich schon zu wehren wissen, wenn sie mich auf den Scheiterhaufen schleppen wollen.«
»Du hast keine Chance gegen sie.«
»Da wollen wir mal abwarten.« Sehr sicher klang Eves Stimme allerdings nicht.
Gordon hatte einen Einwand. »Wißt ihr eigentlich, welches Datum wir haben?«
»Ja, es ist der 30. April.«
»Eben, meine liebe Eve. Der letzte Apriltag. Und das ist ein besonderer Tag, wie du sicherlich weißt.«
Sie schüttelte den Kopf und schaute einigen Käfern nach, die über den Boden krochen. »Hilf mir mal auf die Sprünge.«
»Es ist die Walpurgisnacht.«
Plötzlich lachte Eve. »Ja, du hast recht. Den Begriff kenne ich. In Goethes Faust wird sie erwähnt und in düsteren Farben gezeichnet. Das ist die Nacht der Hexen. Da kommen sie aus ihren Verstecken und auf Besen reitend über die Menschen. Aber wer glaubt das schon? Nichts gegen Goethe, doch da wird er sich geirrt haben.«
»Hast du je geglaubt, in die Vergangenheit verschleppt zu werden?« fragte Gordon dagegen.
»Nein.«
»Aber du erlebst hier keinen Traum. Das ist echt. Wir befinden uns in einer anderen Zeit.«
Tina hatte
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