0439 - Todesspiel in Samt und Seide
verschwand. Im Haus war es sehr still, so daß man das Summen- des Liftes deutlich hörte.
Kurz darauf ertönte das abgesprochene Signal. Daphne ging rückwärts zur Tür. Die Pistolenmündung zielte genau auf mein Herz.
»Treten Sie zurück«, sagte sie. »Bis ins Wohnzimmer. — Ja, so ist es gut!«
Sie schloß blitzschnell die Wohnungstür. Fast gleichzeitig drehte sie den Schlüssel herum und zog ihn ab. Ich war eingeschlossen. Ich hörte, wie sich das helle Klicken ihrer hochhackigen Absätze rasch entfernte und trat im Wohnzimmer ans Telefon. Es kostete mich keine Mühe, das Telefonkabel zu reparieren.
Ich wählte Phils Privatnummer. Er meldete sich nicht. Ich rief die Dienststelle an. Phil war da.
»Hör mal«, sagte ich. »Willst du heute überhaupt nicht in die Klappe kriechen?«
»Mensch, Jerry!« sagte er. Seiner Stimme war anzuhören, wie froh er war, daß ich endlich anrief. »Hast du überhaupt eine Ahnung, in welcher Sorge wir sind, seitdem diese undurchsichtige Geschichte in der Pilgrim Lane passierte? Ich bin hingefahren und habe dort den Dienstwagen entdeckt.«
»Alles halb so wild«, unterbrach ich, »zumindest, soweit es mich betrifft. Für Reggy Custer und Patrick Razer sehen die Dinge beträchtlich ernster aus. Beide sind tot.«
»Razer?« fragte Phil erstaunt. »Wie kommt der denn in die Geschichte ’rein?«
»Das erzähl ich dir später.«
»Wo bist du jetzt?«
»In der 66. Straße, in der Wohnung einer jungen und sehr eigenwilligen Dame, die sich Daphne Berlisque nennt. Ich bin von ihr eingeschlossen worden, werde aber keine Mühe haben, die Tür zu öffnen. Rufe Humber an und stelle eine Verbindung mit der City Police her. Sorge vor allem dafür, daß schnellstens Haftbefehle für Stanley Biggers und seine Nichte ausgefertigt werden.«
»Wie heißt das Mädchen?«
»Birdy Fletcher. Hast du den Namen?«
»Ja, ich schreibe mit. Wie motivierst du den Haftbefehl?«
»Beihilfe zum Mord«, sagte ich.
Phil pfiff leise. Durch das Telefon klang es wie ein schriller Mißton.
»Sonst noch etwas?«
Ich nannte ihm die Nummer des Grundstücks in der Westend Avenue und sagte: »Das Haus muß sofort umstellt werden. Vorsicht ist geboten! Bei den Bewohnern handelt es sich um Angehörige von Patrick Razers Gangsterorganisation. Ich wette, die Burschen werden von ihren Schußwaffen Gebrauch machen.«
»Das ist eine lange Auftragsliste«, sagte Phil. »Fertig?«
»Fertig«, sagte ich. »Ich erwarte dich hier. 66. Straße West, Nummer 68, dritte Etage, bei Daphne Berlisque.«
***
Als Phil kam, hatte ich es mir im Wohnzimmer bequem gemacht.
Ich hatte die Schuhe ausgezogen und das Radio angestellt. Außerdem hatte ich mir erlaubt, eine Dose Bier aus Daphne Berlisques Kühlschrank zu holen. Den Gegenwert von fünfzig Cent hatte ich in bar darin zurückgelassen.
Phil schaute sich in dem Zimmer um. »Ein richtiges Liebesnest«, sagte er und warf seinen Hut auf die cremefarbene Couch. »Alles in zarten Pastelltönen — eher kitschig als geschmackvoll, aber sicherlich verdammt teuer!«
»Setz dich, mein Junge«, sagte ich. »Ein Bier gefällig? Im Kühlschrank ist noch genug davon. Blue Ribbon — wahrscheinlich Patrick Razers Spezialmarke.«
»Danke, ein Kaffee wäre mir lieber. Aber am wichtigsten ist mir, deine Story zu hören.«
Ich setzte mich. »Ich kann nicht behaupten, daß es langweilig war.«
Er grinste. Dann spulte ich die Geschichte ab.
»Wer ist Hank?« fragte Phil schließlich.
»Der Kerl, der auch Swift auf dem Gewissen hat. Der Mann, der der Nichte so mächtig imponierte. Er lebte als Humphrey Smith in einer Mansardenwohnung der Pilgrim Lane.«
»Dort hat ihn Reggy Custer aufgestöbert?«
»Ja. Custer muß in einem anderen Zusammenhang schon einmal dort gewesen sein. Er fuhr jedenfalls sofort in Hanks Mansardenwohnung. Die Frage ist nur, ob Hank auch den Boß der Organisation, Razer, ermordet hat.«
»Gab es für Hank denn einen triftigen Grund, seinen Boß zu töten?«
»Ja, das könnte ich mir denken. Bei Razer war irgendeine Schraube locker. Er saß richtig über mich zu Gericht. Von seinen Leuten ließ er sich ›Richter‹ nennen. Es war ein gespenstischer Mummenschanz, ein mystischer Nonsens, wie ihn nur ein krankes Hirn ersinnen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß der stärkste Mann der Razer-Organisation sich um eine rasche Nachfolge bemühte, um zu vermeiden, daß die Führung einer Persönlichkeit überlassen blieb, bei der schizophrene Züge immer mehr
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