0441 - Die Nacht der stillen Mörderin
Leitung.«
»Und?«
»Er war wie verwandelt. Er sagte, er habe einen Job bekommen, bei dem er mehr verdienen würde als lumpige fünftausend Dollar. Endlich hätte er es geschafft, nach oben zu kommen. Ich würde es schon sehen. Und er lehnte es ab, von der Gnade meines Chefs zu leben.«
Ich sah sie nachdenklich an.
»Was taten Sie?«
»Ich beschwor ihn, sich mit mir zu treffen. Mir war sofort klar, daß es sich nur um ein Verbrechen handeln konnte. Mein Vater besaß keine Kenntnisse, die irgend jemand hoch bezahlen würde. Deshalb konnte er nur mit Verbrechern zusammengetroffen sein — er hat ja sein Leben lang auf der Kippe zwischen Recht und Unrecht gestanden. Daß er in dieser verzweifelten Situation zu jedem Verbrechen, das ihm etwas einbrachte, bereit war, lag auf der Hand.«
»Sie hatten keinen Erfolg.«
Ihre Augen waren feucht geworden. Sie drehte den Kopf zur Seite.
»No. Er legte den Hörer auf, und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört — bis zu jener Nacht.«
Ich schwieg einen Augenblick. Hiram Ogg hatte den Job — meine Ermordung — bekommen, ohne die Einzelheiten zu kennen. Rina bot eine Erklärung dafür, warum Hiram so blindlings diesen Auftrag übernommen hatte.
Er brauchte Geld — das älteste aller Motive. Er brauchte es sogar sehr dringend. Ich kannte diese Spielhöllen am Broadway und die Methoden der Besitzer. Wenn jemand nicht zahlte, griffen sie zum Rasiermesser oder zur Säureflasche — eine nachdrücklichere Methode, Schulden einzutreiben, hat noch keiner erfunden.
Ja, da hatte ich eine Erklärung für alles. Jemand hatte Hirams Zwangslage erkannt und versucht, sie für seine Zwecke auszunutzen. Dieser Jemand war sein Mörder. Er hatte gewußt, daß Hiram in Not war.
»Nevada Flush kannte also die Zwangslage Ihres Vaters«, hörte ich mich sagen.
»Natürlich — ich hatte ihm doch alles gesagt.«
»Kannte er Ihren Vater?«
»Nein.«
»Aber er wußte, wo er zu finden war?«
Sie sah mich erstaunt an.
»Wer Hiram finden wollte, brauchte nur einen Streifzug durch die einschlägigen Lokale des unteren Broadway und der Bowery zu machen — ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Schon gut — in meinem Beruf fragt man nach allem und jedem. Was ist Mr. Flush für ein Mensch?«
»Schwer zu sagen — ich kann nicht klagen über ihn. Er verlangt viel Arbeitseifer und bezahlt gut.«
»Ich verstehe! Und jetzt erzählen Sie mir, warum Sie mich in der Nacht angerufen haben.«
Die Tür ging auf, und eine Schwester steckte ihren Kopf herein.
»Zeit für Sie, Mr. Cotton. Die Patientin braucht jetzt Ruhe!«
»Noch zwei Minuten, Schwester!« sagte ich und entfaltete meinen ganzen Charme. Ich wandte mich an Rina. »Also?«
»Da war etwas, wovon ich Ihnen noch nichts gesagt habe«, sagte sie. »Als ich das letztemal mit meinem Vater telefonierte und er so prahlte mit seinem neuen Job, erwähnte er mehrmals den Namen Old Yellowstain. Hiram nannte diesen Namen als seinen, neuen Arbeitgeber. Mit dem würde er zusammenarbeiten und genauso groß werden — es war schrecklich!«
Sie schwieg ein paar Sekunden und fuhr dann leise fort: »Ich hatte keine Ahnung, wer dieser Old Yellowstain ist. Niemand konnte es mir sagen. Dabei dachte ich, es sei wichtig. Vielleicht konnte ich meinem Vater helfen, wenn ich es herausbekam. Schließlich wandte ich mich an Mr. Flush.«
Ich beugte mich vor. Jetzt wurde es spannend.
»Mr. Flush wußte sofort Bescheid. Old Yellowstain war ein Verbrecher und schon seit ein paar Jahren tot. Ich konnte mir keinen rechten Reim darauf machen. Er lachte und sagte, das bewiese am besten, daß mein Vater phantasierte. Er wäre sicher, Hiram würde schon noch kommen, wenn die Frist abgelaufen wäre.«
»Aber wie kamen Sie auf mich?«
»Oh — das war so. Mr. Flush gab mir einen Stoß alter Zeitungsausschnitte aus der Zeit, als man Old Yellowstains Bande vor drei Jahren den Prozeß gemacht hatte.«
»Hielt er die aufbewahrt?«
»Ja — warum wundert Sie das?«
»Nun, es ist doch nicht üblich, so etwas zu sammeln und aufzuheben, oder?«
»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich habe nur diese Berichte gelesen, und dabei fand ich Ihren Namen. Sie sind doch der G-man, der damals Old Yellowstain überführte?«
»Das ist richtig.«
»Ja — zunächst also war ich ganz unbesorgt und überzeugt, mein Vater sei irgendeinem Aufschneider aufgesessen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er mit dem toten Old Yellowstain zu tun haben
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