0447 - Totenschiff der Templer
bin mir sicher. Wir werden getötet, Suko.«
»Das steht längst nicht fest. Wenn sie das vorgehabt hätten, wären wir nicht bis hierher gekommen. Sie hätten immer die Chance gehabt, uns vorher umzubringen.« Zwar war Suko von seinen Worten nicht überzeugt, aber ihm war keine andere Antwort eingefallen.
Sie standen im grauen Dunst. Es war still zwischen ihnen geworden. Selbst das Klatschen der Wellen klang nur mehr gedämpft.
Der Nebel schluckte viele Geräusche.
»Wir müssen hoch!« drängte Suko.
Noch hatte sich Scirea nicht entschlossen. Als Suko ihn vorschieben wollte, befreite er sich durch eine ruckartige Bewegung.
»Gehen Sie zuerst!«
»Nein, Mario. Ich möchte sicher sein, deshalb werden Sie vorgehen. Ich bleibe hinter Ihnen.«
»Und wenn Sie mich allein lassen?«
»Ich bitte Sie. Haben Sie eine Chance gehabt, wegzuschwimmen? Nein, ich werde auch keine bekommen.«
Scirea hatte die letzte Antwort überzeugt. Suko hatte die Leiter festgehalten. Sie besaß noch soviel Spiel, daß sie sich auch nicht aus seiner Hand löste, wenn sie durch die Dünung von der Bordwand des Geisterschiffes abgetrieben wurden.
»Sie müssen achtgeben, weil es nicht so einfach ist, über eine Strickleiter zu klettern, Mario.«
»Ich weiß.«
Scirea packte zu. Dann begann er mit dem Aufstieg, und Suko mußte zugeben, daß der junge Mann sich tapfer hielt. Fast wie ein Profi hangelte er sich in die Höhe, stoppte aber dann, weil er nachschauen wollte, ob ihm Suko auch folgte.
Der kletterte hinterher.
Er blieb stets drei Sprossen unter Scirea, der einmal abrutschte und Suko fast erwischt hätte. Die Jakobsleiter schwankte von einer Seite zur anderen. Mehr als einmal stießen beide mit den Knien oder Ellenbogen gegen die dicke Bordwand und vernahmen auch die dumpf klingenden Geräusche.
Scirea überwand als erster das mächtige Schanzkleid, geriet für Suko außer Sicht. Der Chinese sah seinen Schützling erst wieder, als beide an Bord standen.
Eine unheimliche Umgebung nahm sie auf. Über Deck trieben die dicken Nebelbänke. Sie lagen an einigen Stellen auch wie gewaltige Kugeln, die sich nicht rührten.
Um die Segel glitten sie wie löchrige Tücher. Sogar die Mastspitze mit dem Korb des Ausgucks hatten sie erreicht.
An Deck ließ sich niemand blicken.
Scirea schüttelte den Kopf. »Sind wir denn allein?« fragte er.
»Das glaube ich nicht. Zumindest dieser Capitaine Noir müßte sich auf dem Schiff aufhalten.«
»Der mit dem blutbeschmierten Mantel?«
»Ja.«
»Vielleicht hat er auch die Leiter geworfen.«
Suko hob die Schultern. Er verspürte keine große Lust, sich mit Scirea zu unterhalten, doch dieser brauchte das Gespräch, um seine eigene Furcht zu überwinden.
Das gesamte Schiff sah aus, als wäre ein Großteil von ihm irgendwann einmal von einem mächtigen Kahn zerstört worden. Zwar standen noch die beiden Masten, doch an ihnen hingen die zerfetzten Segel, und von der Takelage war auch nicht mehr viel übriggeblieben.
Man konnte das Schiff als einen Seelenverkäufer bezeichnen, der von seiner Besatzung verlassen worden war.
»Sollen wir denn hier stehenbleiben?« erkundigte sich Mario Scirea.
»Zunächst ja.«
»Was bezwecken Sie damit?«
»Die anderen wollen etwas von uns. Wir nicht von ihnen!«
Scirea schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal, ich begreife das alles nicht. Was können wir wissen?«
»Man wird es uns sagen.«
»Nein, ich habe das Gefühl, daß es mehr um Ihren Freund Sinclair geht. Sein Gesicht haben wir gesehen.«
»In der Tat. Aber die andere Seite weiß ebenfalls, daß John Sinclair und ich Partner sind. Wir machen viel gemeinsam.«
»Deshalb hält man sich an Ihnen schadlos.«
»Das könnte so laufen.«
Wenn Suko und Mario sprachen, waren es die einzigen Geräusche, die man hörte. Es ging kein Wind, selbst das Klatschen der Wellen hatte nachgelassen. Beide Männer kamen sich vor wie in einer anderen, verzauberten, aber gefährlichen Märchenwelt.
Das Plankenholz unter ihren Füßen hatte längst eine weiche Fäulnis erreicht. Als Scirea einen Schritt vorging, waren keine dumpfen Laute zu vernehmen und auch kein Knarren.
»Bleiben Sie lieber stehen!« warnte Suko. »Auf diesem Schiff halten andere das Kommando.«
»Ich muß mich bewegen.«
Scirea ging weiter und schrie plötzlich auf, denn dicht vor seinen Füßen bekamen die Planken plötzlich von unten her Druck. Holzsplitter fetzten in die Höhe und etwas Langes, Blankes erschien.
Eine Degenklinge!
Sie
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