0448 - Der Nebel-Henker
sie auseinander und las die Tatortbeschreibungen.
Durchnäßt waren sie inzwischen ohnehin, also konnten sie auch zu Fuß losziehen. Besonders groß war Lencouaqc nicht. Sie brauchten also nicht lange zu suchen, bis sie die erste Fundstelle entdeckten, nahe einem Bach zwischen den altertümlichen Laternen und einer Fußgängerbrücke.
»Und nun?« wollte Uschi Peters wissen.
Zamorra öffnete Jacke und Hemd und holte das Amulett hervor. »Mal sehen, ob wir etwas feststellen können. Vielleicht ist das hier ein magischer Ort.«
Er war sicher, daß bei den beiden brutalen Morden Magie im Spiel war. Warum sonst hätte Julian auf den Artikel reagieren sollen?
Er aktivierte Merlins Stern und setzte die handtellergroße Silberscheibe mit den komplizierten Verzierungen auf den Ort und seine nähere Umgebung an. Einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, hielt er für nicht die beste Lösung. Es kostete ihn Kraft, und möglicherweise war die Spur mittlerweile verweht. Je länger Ereignisse zurücklagen, desto schwächer wurden ihre Schatten für die Zeitmagie des Amuletts.
Aber möglicherweise gab es hier irgend etwas, das den Magie-Mörder angezogen hatte.
Sorgfältig sondierte er, begann vom Fundort des Leichnams aus Kreise zu ziehen, die immer weiter wurden, bis sie vor dem Bach ihr Ende fanden. Ein Bach, der eher ein befestigter breiter Graben war und trotz des anhaltenden schlechten Wetters nur wenig Wasser führte. Dennoch war er auf beiden Seiten mit Eisengeländern abgesichert. Auf dieser Seite befand sich eine Häuserreihe, ein Gehsteig, auf dem die Tote gefunden worden war, dann der Graben mit den betonierten Ufern, und auf der anderen Seite befand sich ein unbefestigter Weg, der jetzt eher eine Schlammbahn war. Quer über diesen Bach führte die Fußgängerbrücke.
Zamorra lehnte sich über das Geländer und schwenkte das Amulett über einen Teil des Baches. Es gab immer noch keine Reaktion. Aber wenn er den Kreis fortsetzen wollte, diese sich ständig erweiternde Spirale, mußte er hinüber auf die andere Seite und wieder zurück…
In der anderen Richtung standen die Häuser im Weg. Aber gerade weil sie im Weg standen, maß Zamorra ihnen keine Bedeutung zu. Der unheimliche Mörder würde kaum aus dem Keller eines der Häuser gekrochen sein. Spukhäuser gab’s zwar, aber das Dorf war alt, und warum hatte der Mörderspuk sich dann nicht schon wesentlich früher bemerkbar gemacht?
Nicole hatte Zamorras Absicht erkannt.
»Ich gehe hinüber!«
Dann stand sie auf der anderen Seite, mit den hochhackigen Stiefeln im Matsch, und setzte das Amulett ein, als Zamorra den nächsten Rundbogen abschritt und jetzt dafür eigentlich hinübergemußt hätte. Nicole rief das Amulett mit der Kraft ihrer Gedanken zu sich, ging den Kreisbogenabschnitt ab, den Zamorra sonst hätte beschreiten müssen, und der rief die Silberscheibe dann wieder zu sich. Das war sicherer, als sie sich gegenseitig zuzuwerfen, weil das Amulett unweigerlich in der Hand des Rufenden landete, der nicht das Risiko des Danebengreifens eingehen mußte.
Nach der vierten Umkreisung, an der Nicole beteiligt war, gab es immer noch keine Reaktion des Amuletts, aber damit hatte Nicole die andere Seite des matschigen Weges erreicht, und dort grenzten Gärten an, deren zugehörige Häuser an die nächste Dorfstraße grenzten. Die Gärten waren mit Hecken und Zäunen geschützt. Dort hinüber zu kommen, bedurfte umständlicher Kletterpartien.
»Teri oder Gryf müßten hier sein«, murrte Zamorra. »Per zeitlosem Sprung könnten sie sich mühelos jeweils auf die andere Seite von Hecke oder Zaun versetzen…«
»Sollen wir versuchen, sie zu rufen?« fragte Uschi Peters an. Für ihre telepathischen Kräfte, die aber nur funktionierten, wenn die Zwillinge nicht besonders weit voneinander getrennt waren, war die Entfernung bis zum Château Montagne eine Kleinigkeit.
Aber Zamorra schüttelte den Kopf.
»Das lohnt sich nicht. Es sieht ohnehin so aus, als würde dieser Versuch in einer Sackgasse enden, denn mittlerweile haben wir uns auf unserer Spiralbahn so weit vom Fundort der Leiche entfernt, daß es schon an ein Wunder grenzen würde, noch die Aura einer magischen Örtlichkeit festzustellen!«
»Und hinter den Häusern? Die andere Hälfte dieser Kreisfläche?« warf Monica ein.
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Dazu müßten wir die Leute aus den Wohnungen klingeln, aber die werden uns kaum hereinlassen. Und wenn wir von der anderen Seite durch die
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