0450 - Die Gierigen von Brooklyn
meinen Worten einen Seufzer nach. »Wir werden die Überwachung bis zum Ladenschluß fortsetzen müssen. Danach werden wir den ganzen Bau von den Dachsparren bis zum Keller durchsuchen müssen. Ich hoffe nur, daß wir dabei nicht auf eine Überraschung stoßen.«
Phil wußte genau, welche Art Überraschung ich meinte: Die Leiche Kim Purvis’ nämlich. Endlich tat er den Mund auf. Er sprach leise.
»Es ist meine Schuld«, sagte er, »ich hätte besser aufpassen müssen.«
»Hör auf, das konnte niemand ahnen«, versuchte ich ihn zu trösten, aber ich wußte selbst, daß es nicht half. Ich hatte selber schon zu häufig vor solchen Situationen gestanden. Kein Staatsanwalt würde anklagen, kein Geschworener der ganzen Welt würde sein »schuldig« sprechen, aber man selbst fühlte sich schuldig, weil man es hätte verhüten können, wenn…
»Wer wußte, daß Kim ins Kaufhaus gehen würde?« fragte ich.
»Die halbe Welt«, sagte Phil verzweifelt. »Zumindest jeder in Purvis’ Haus. Die Köchin kann es den Dienstboten anderer Häuser erzählt, der Butler seinen Stammtischfreunden gesagt haben.«
»Das hilft uns also nicht viel weiter«, meinte ich. »Trotzdem müssen wir dieser Spur nachgehen. Joe Purvis, Dale Winter und Ned Benning müssen überwacht werden. Dazu kommt Ellen Grosby und die Wohnungen von Nick Coslin, Pat Delmonico und Carmen Murero. Bei ihr sind auch die beiden Lokale im Auge zu behalten.«
Wir fuhren zurück ins Distriktgebäude und meldeten uns bei Mr. High, unserem Chef.
Er hörte uns eine Viertelstunde geduldig zu und ließ sich den Fall in allen Einzelheiten darlegen. Auch er sprach Phil, der immer noch geknickt im Sessel saß, gut zu. Man sah meinem Freund an, daß er Zuspruch brauchte.
»Die wichtigste Sache ist jetzt, daß wir von dem Kidnapping-Fall Kenntnis bekommen«, sagte der Chef dann. Wir sahen ihn fragend an.
»Es ist ein Kidnapping-Fall!« sagte Phil bestimmt.
»Sicher. Sie wissen es, Jerry weiß es auch, und ich kenne Sie beide gut genug, um es auch zu wissen. Aber können Sie außer Ihrer Vermutung irgend etwas vorweisen, das diese Vermutung beweist?«
»Den Drohbrief an Joe Purvis!« sagte Phil schnell.
»Eine Drohung, deren Echtheit Sie erst beweisen müßten, Phil. Was tun Sie, wenn Purvis die Geschichte verharmlost? Sie müssen Purvis dazu bringen, zuzugeben, daß seine Tochter entführt…«
»Das wird er nie tun«, sagte Phil. »Purvis ist nicht dadurch Nachtklubkönig an der East Side geworden, daß er die Lehren der Nächstenliebe befolgte. Hinter diesem Aufstieg steckt eine Menge Kampf gegen die Konkurrenz, der sich nicht immer im Rahmen der Strafgesetze abspielte. Um Unstimmigkeiten abzuschleifen, hielt er sich die Prachtgorillas Winter, Delmonico und Benning. Vielleicht sollten wir uns mit den Leuten von der Steuerfahndung zusammensetzen. Das ist eine Sache, die Purvis ganz bestimmt nicht angenehm sein kann.«
»Gute Idee«, sagte der Chef. »Das werde ich veranlassen. Möglicherweise wird Purvis dann ein wenig umgänglicher!«
Phil zündete sich eine Zigarette an. Er wurde richtig munter. »Eins ist ganz sicher, Chef. Er glaubt, allein mit den Entführern fertig zu werden!«
»Das glauben viele«, sagte der Chef. »Aber ich muß Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, Phil, daß Sie keine Beweise in der Hand haben.« Er ließ sich einen Augenblick Zeit, ehe er weitersprach. »Die junge Dame ist wohl sehr attraktiv?«
»Ist sie«, antwortete mein Freund spontan, und gleich darauf wurde er rot bis unter den Hemdkragen.
»Nun, das spielt keine Rolle«, lächelte der Chef. »Ich weiß, daß Sie sich genauso für jedes andere Girl einsetzen würden, wenn man es gekidnappt hätte. — Wenn Sie Leute brauchen, Jerry, suchen Sie sie sich aus.’«
»Danke, Chef!« sagte ich und gab meinem Freund einen ermunternden Klaps auf die Schulter.
In unserem Office schenkte ich Phil einen Schluck aus meiner Flasche ein und betrachtete ihn argwöhnisch von der Seite. Er stellte sein Glas auf den Tisch zurück, nachdem er den Whisky in Rekordzeit geschluckt hatte, und sah auf die Tischplatte. Ich setzte mich ihm gegenüber und beobachtete ihn.
»Hallo, Mr. Decker!« sagte ich dann. »Sie scheint es ja ganz schön erwischt zu haben. Aber vergessen Sie bitte nicht, daß Sie im Dienst sind.«
»Natürlich, Jerry. Entschuldige bitte. Hast du einen Vorschlag?«
»Na also, Phil. Wir sollten jetzt die Kollegen einteilen, die uns der Chef so großzügig zur Verfügung
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