0450 - Die Gierigen von Brooklyn
fand ich keine Spur.
Ellen Grosby heftete sich auf meine Spuren. »Sie dürfen hier nicht einfach herumsuchen!« Ihr Protest klang recht zaghaft und verstummte auch sofort, als ich den Haussuchungsbefehl aus der Tasche zog und ihn ihr über die Schulter zuwarf. Sie studierte das Papier eine Minute und legte es dann auf einen kleinen Tisch in der Nähe des Fensters.
Im Kleiderschrank hing die Garderobe eines Musikers. Hosen und Jacken in allen möglichen Zuschnitten und Farben. Im oberen Fach ein halbes Dutzend Hüte. Ich nahm sie einzeln heraus. Meine Finger tasteten über die Pappschachteln.
Ich hielt eine Schachtel mit fünfzig Patronen in der Hand. Für eine Fünfundvierziger.
Zehn Patronen fehlten.
»Wissen Sie, was das ist?« Ich klappte den Deckel auf und ließ das Girl hineinsehen.
»Das ist Munition für eine Pistole oder einen Revolver, nicht wahr?«
»Stimmt. Um ganz genau zu sein: Für eine Fünfundvierziger. Das gleiche Kaliber, mit dem Randy Hopper erschossen wurde und auch ein Girl namens Mabel Link, die auf dem Kennedy Airport bis gestern Zigaretten verkaufte. Und vor zwei Stunden ist drüben in Queens auf einer Baustelle ein Mann getötet worden. Ich wette mein Gesicht gegen eine Papplarve, daß die Kugeln, an denen er starb, das gleiche Kaliber aufweisen. — Diese Packung hier ist angebrochen. Können Sie mir sagen, wo die fehlenden Patronen im Augenblick sind?«
Ellen Grosby starrte immer noch in die Schachtel und schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, Mr. Cotton. Ich weiß nicht, wie das Zeug in die Wohnung kommt. Von Nick stammt es bestimmt nicht. Ich habe nie eine Schußwaffe bei ihm gesehen. Und das mit Randy und den anderen… Das ist ja furchtbar. Nick hat nichts damit zu tun, glauben Sie mir!«
»Miß Crosby«, sagte ich und sah ihr starr in die Augen, »wo ist Kim Purvis?«
»Zu Hause natürlich, wo sollte sie sonst sein? Warum fragen Sie mich danach?« Ihre Augen blickten mich treuherzig an, aber man konnte sich täuschen. Dann allerdings fiel ihr das Seltsame an dieser Frage auf. »Ist etwas nicht in Ordnung mit Kim? Ich sage Ihnen, das Girl hat keine blasse Ahnung…«
»Wovon hat sie keine Ahnung?«
Sie zögerte einen Moment mit der Antwort. »Nun, wie Joe seihe Dollars macht.«
»Und wie macht Purvis seine Dollars?«
»Das wissen Sie besser als ich.«
»Setzen Sie sich.« Ich deutete auf einen Stuhl. »Hat Kim Purvis eine Tante?« Natürlich riskierte ich mit solchen Fragen, daß Ellen Grosby auf die Vermutung kam, daß mit Kim Purvis nicht alles in Ordnung war. Aber sie kannte die Familien Verhältnisse gutund war sicher eher bereit, mir Auskunft zu geben als Purvis.
»Eine Tante? Ich habe nie etwas davon gehört. Purvis hat einen Bruder, der in Kanada lebt, aber das ist auch alles.«
»Seine Frau könnte eine Schwester gehabt haben«, meinte ich.
»Nein, bestimmt nicht. Er hat mir einmal erzählt, daß er froh wäre, daß seine Frau keine Verwandtschaft mehr habe.«
»Na schön«, sagte ich. »Und wohin fährt Purvis, wenn er einmal ausspannen will?«
»Da ist ein Wochenendhaus auf Goose Island, für Samstag und Sonntag, wenn ihm der Betrieb in den Nachtklubs dazu Zeit läßt. Und dann ist da noch ein Besitz in Daytona Beach in Florida. Ein altes Landhaus im Kolonialstil. Es heißt ,Five Pines’. Ein Soldatenfriedhof aus dem Zessionskrieg liegt dicht daneben.«
»Danke, Miß Grosby, das wäre es. Halt, eine Frage noch: Wissen Sie, wo sich Nick Coslin aufhält?«
»Nein, ich bin hergekommen, weil ich dachte, er wäre zu Hause.«
»Schade! Es wäre für ihn und für Sie besser gewesen, Sie hätten darüber Bescheid gewußt.«
Sie zuckte zusammen. »Was wollen Sie denn nur von Nick?«
»Wir wollen Sie nicht länger aufhalten«, meinte ich, ohne auf Ihre Frage einzugehen. »Hat er ein Engagement?«
»Im ,Silvermoon‘ in der 34. Straße.«
»Danke!« Ich empfahl mich, zusammen mit Phil. Als wir aus der Haustür traten, winkte ich Fred.
»Wo ist Bobby?«
Er deutete auf einen dunklen Eingang auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Während Phil ruhig weiterging, überquerte ich die Straße und pfiff leise. Bobby Osborne glitt lautlos heran.
»Hör zu, Bobby«, sagte ich. »Gleich kommt eine Lady aus dem Haus da drüben. Alter etwa sechsundzwanzig, blond wie die Dors und mit ähnlichen Kurven versehen. Häng dich an ihren Rockzipfel, aber nicht so fest, daß sie es merkt. Bei der nächsten Gelegenheit schlüpfst du in eine Telefonzelle und beorderst
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