0453 - Im Bann des Pegasus
hinsetzen, wie Kostos und ich es getan haben, Rücken an Rücken, damit ein jeder den Körper des anderen spürt und dennoch einen freien Blick besitzt, der hineingleiten kann in das gewaltige All, wo alles Wissen steckt.«
»Vergiss nie, Mädchen, dass es einen gibt, der alles geschaffen hat. Nur er besitzt das absolute Wissen.«
Ich widersprach nicht, doch ich wusste bestimmt, dass die Loge der Mystiker diesem Wissen nahe kommen will.
»Vier haben es versucht, Gabriela, alle sind gescheitert. Auch schon in früheren Jahrhunderten.«
Das Thema gefiel ihr wohl nicht so sehr. Sie drehte sich von mir weg und ging in die Knie. Genau in der Mitte des Dreiecks, wo auch das Auge der Erleuchtung übergroß eingemeißelt war, ließ sie sich nieder, zog die Beine an und legte ihre Handflächen auf die Knie.
Den Rücken drückte sie durch, den Kopf etwas zurück.
Ich setzte mich noch nicht, schaute in die Dunkelheit, sah aber nichts.
Auch nicht den Reiter Dochonios auf seinem geflügelten Pferd.
So ließ ich mich schließlich nieder und lehnte meinen Rücken gegen den der jungen Frau.
Sie bewegte sich wohlig. »Ja, so ist es gut, John. So musst du sitzen bleiben. Kostos hat mir diese Haltung beigebracht. Vielleicht spüren wir sogar seinen Geist. Weißt du, dass mit dem Tode längst nicht alles aufhört und der Anfang einer neuen Daseinsebene gemacht wird.«
»Das weiß ich.«
»Deshalb kann mich der Tod nicht schrecken. Ich schaue ihm, wenn es soweit ist, ins Auge.«
»Obwohl du einen so großen Durchblick besitzt, auch ein gewaltiges Wissen, in dir gespeichert hast, wolltest du mich umbringen. Es hätte dir wirklich nichts ausgemacht, mir den Giftstachel in den Körper zu stoßen?«
»Nein, in diesem Falle nicht. Man bekommt nichts umsonst. Es wird immer Opfer geben, es hat auch immer Opfer gegeben. Da kannst du nachlesen, wo du willst. Wer die Sache der Psychonauten verrät, darf nicht mehr weiterleben.«
»Das ist sehr überheblich.«
»Wir können es uns leisten, weil es gelungen ist, die Fantasie zu zähmen. So soll es später einmal sein. Es wird eine neue Macht entstehen, an deren Spitze die Loge der Mystiker steht. Noch ist kaum etwas davon bekannt. Vielleicht wird sie auch in den nächsten Jahren vergessen, aber sie ist vorhanden und kann nicht mehr weggeschaffen werden, das wollte ich dir noch sagen. Sei dankbar und froh, dass du zu den Wissenden gehörst, Bruder.«
Ich sah die Sache etwas anders. Zudem war ich von der Loge der Mystiker nicht begeistert. Für mich waren sie Menschenverächter, wenn nicht sogar Mörder.
Und Pegasus hatte einen von ihnen vor meinen Augen getötet.
Als Grund konnte ich mir nur das Versagen des Mönchs vorstellen.
Gabriela hatte nicht bemerkt, dass ich mittlerweile mein Kreuz in der Hand hielt. Es hatte mich auf all meinen gefahrvollen Wegen begleitet und mir treu zur Seite gestanden. Ihm konnte ich vertrauen, denn es besaß das Wissen eines der großen Propheten. Und es hatte mich auch des öfteren vor Gefahren gewarnt, vielleicht wird es sich auch hier melden, wenn ich es wollte.
Ich hatte die Hände nebeneinander gelegt und das Kreuz lag in der Mulde. Wenn ich mir seine Farbe anschaute, besaß sie fast den gleichen Ton wie das Mondlicht.
Silbrig schimmernd.
»Du musst dich konzentrieren!« hörte ich Gabriela sprechen.
»Konzentriere dich auf das Wesentliche, auf den Grund aller Dinge, auf den reinen Geist. Dann wird auch dich das Wissen erleuchten.«
Vielleicht war es möglich, durch Meditation dieses Wissen zu erreichen, ich aber wollte nicht, denn meine Methoden waren andere.
»Weshalb sagst du nichts, John?« fragte sie mich.
»Doch, ich sage etwas.«
»Bitte.«
Ich sprach die Formel, um das Kreuz zu aktivieren. »Terra pestem teneto Salus hie maneto…«
Und es geschah, was geschehen sollte…
***
Godfrey Shulz konnte nicht begreifen, dass sich John Sinclair so sehr von der jungen Griechin hatte einwickeln lassen. Immer wieder schüttelte er den Kopf und sagte: »Der ist doch verrückt, halb wahnsinnig. Dem fehlte der Überblick. Die machen ihn fertig…«
Niemand hörte ihm zu. Er saß auf dem Stuhl allein im Zimmer und starrte gegen die Tür. Die Flasche war zu einem Drittel geleert.
Seine Beinwunde schmerzte, und als er sich mühsam erhob, konnte er das verletzte linke Bein nicht mehr belasten, weil die Schmerzen bis hoch in seine Hüfte zuckten.
Er lehnte sich gegen die Wand. Zudem hatte er zuviel Uzo getrunken, so dass ihn ein gewisses
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