0455 - Der Zeit-Zauberer
Cristofero fürchtete nichts mehr als die Geschwätzigkeit der Weiber und nahm an, daß der Klatsch ihm schaden konnte, wenn herauskam, daß er sich mit einem Zauberer einließ. Zudem hat er einen Narren an dem Schwarzen gefressen und wollte ihn nicht einfach fallenlassen.
Zamorra übernahm das weitere Gesprächsthema. Er machte Don Cristofero klar, was in den letzten Jahrhunderten weiter geschehen war, umriß die politische Entwicklung, aber der Don winkte nur ab. »Belanglos, recht belanglos, mein lieber Don Zamorra«, bemerkte er herablassend. »Erzählt mir lieber darüber, was es an neuen Erfindungen gibt.«
Zamorra fand, daß seine Kehle mittlerweile trocken wurde. »Verzeiht, daß ich den Diener nicht rufe«, sagte er, »aber den habt Ihr ja halbtot geschlagen.« Allmählich gewöhnte er sich daran, anstelle des modernen »Sie« ebenfalls das altertümliche »Ihr« zu verwenden; es trug ihm sichtbar Don Cristoferos Sympathien ein. Daß ihr Wortschatz und die Aussprache sich geringfügig unterschieden, daran hatten beide sich bald gewöhnt. Don Cristofero zeigte sich äußerst aufgeschlossen und lernfreudig. Zamorra öffnete einen Schrank, überlegte und wählte dann statt Fruchtsaft oder Wein die Cognacflasche. Mal sehen, mein lieber Don, was du hiervon hältst, dachte er schmunzelnd und schenkte dem Don und sich ein.
Cristofero schnupperte an der goldbraunen Flüssigkeit. »Was ist das, geschätzter Don Zamorra?«
»Cognac«, sagte Zamorra. »Ich weiß nicht, ob es das schon zu Eurer Zeit gab. Es ist jedenfalls so etwas wie ein Nationalgetränk, es berauscht schnell.«
»Cognac - wie die Grafschaft?«
Zamorra nickte. »Auf Euer Wohl, Don Cristofero.«
Sie tranken sich zu.
Cristoferos Gesicht verklärte sich. Er begann zu strahlen. »Wahrlich, ein edler Geschmack. Wollt Ihr mir mehr davon überlassen?«
Zamorra warnte. »Es berauscht wirklich sehr schnell.«
»Oh, ich bin eine Menge gewöhnt«, erklärte Cristofero. »Was glaubt Ihr, wie trinkfest man sein muß bei Hofe? Könnt Ihr Euch vorstellen, wie viele Fässer Wein jeden Tag leergetrunken werden? Sicher nicht, Ihr seid ja recht ärmlich gestellt.« Unkonventionell griff er zu und schenkte sich nach.
Au waia, dachte Zamorra. Fast bereute er, Cristofero den Cognac angeboten zu haben. Aber der spanische Grande trank, plauderte, trank, plauderte, trank, lallte… und ließ sich die Flasche nicht mehr wegnehmen.
»Isch glau-hicks-glaube, isch kann mischitdiescher Scheitanf… anw… anfreunden«, nuschelte er. »Isch blei-hicks-bleibe hier.«
Sprach's und sank schnarchend im Sessel zusammen. Die leere Flasche polterte auf den Teppichboden.
***
Inzwischen hatte Nicole ihr Frühstück endlich nachgeholt - Zamorra und Cristofero waren schon in die kleine Bibliothek hinübergegangen, als sie eintraf. Allein schmeckte es zwar nicht so gut wie gemeinsam mit Zamorra, aber dafür kam ihr eine andere Idee. Mit der Technik der Sprechanlage kannte sie sich hervorragend aus. Es war ja auch nicht viel daran auswendig zu lernen. Zwei Knopfdrücke, und sie konnte vom Frühstücksraum aus mithören, was in der Bibliothek gesprochen wurde. Vielleicht, überlegte sie zwischendurch, war das einer der Gründe, aus denen Raffael stets dort auftauchte, wo er gebraucht wurde, auch ohne daß er gerufen wurde. Vielleicht prüfte er über die Anlage zwischendurch kurz, wo Unterhaltungen stattfanden, um sich dort verfügbar zu halten. Nicole lächelte; trotz dieser Vorstellung fühlte sie sich bespitzelt. Zamorra hatte vorhin, als er zu Cristofero über Raffael sprach, dasselbe ausgedrückt, das auch sie empfand: Vertrauen.
Während sie lauschte und so erfuhr, was es mit Don Cristoferos Herkunft auf sich hatte, dachte sie an den Gnom. Er schien nicht in der Bibliothek zu sein. Wo steckte der Bursche?
Als nun Zamorra zu berichten begann, wurde das Gespräch für Nicole belanglos. Was ihr Chef und Lebensgefährte erzählte, kannte sie ja alles. Sie schaltete die Sprechanlage wieder auf Bereitschaft zurück und beschloß, den Gnom zu suchen.
Immerhin bediente der schwarze Knabe sich der Magie. Offenbar war es keine Schwarze Magie, denn Zamorras Amulett sprach wohl nicht darauf an. Aber es war immerhin Zauberei, und damit konnte man eine Menge dummer Dinge anstellen. Es war vielleicht ganz gut, diesen zauberkräftigen Gnom ein wenig unter Beobachtung zu halten, damit er nicht noch mehr Unfug anrichtete als damit, daß er seinen Herrn und sich in diese Zeit geholt
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