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0455 - Der Zeit-Zauberer

0455 - Der Zeit-Zauberer

Titel: 0455 - Der Zeit-Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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konnte doch jeder bedienen!
    »Welch Niedergang der Kultur«, murmelte der Namenlose. »Wenn jeder zaubern kann, wozu braucht es dann Zauberer? Diese Zeit ist nicht gut für einen wie mich.«
    Da sah er das magische Sigill.
    ***
    Raffael Bois war mit sich unzufrieden. Zwar hatte er Nicole gegenüber behauptet, daß mit ihm wieder alles in Ordnung sei, aber die Nachwirkungen des Fausthiebes bereiteten ihm doch ein wenig Schwierigkeiten. Er brauchte einige Zeit, bis er sich wieder soweit fit fühlte, daß er seiner Arbeit weiter nachgehen konnte. Viel Arbeit war es ohnehin nicht; der Professor machte vieles selbst, und Mademoiselle Nicole mit ihrem Zwischenstatus - als Zamorras Sekretärin war sie so etwas wie Raffaels entfernte Kollegin, als seine Lebensgefährtin Raffaels Quasi-Chefin - tat ebenfalls eine ganze Menge. Dennoch hatte Raffael ein schlechtes Gewissen. Sein ganzes Leben hatte aus Zuverlässigkeit und ständiger Präsenz bestanden, und nun dies…
    Als er endlich Zamorra aufsuchte, um sich zurückzumelden, schnarchte der barock kostümierte Dicke im Bibliotheksessel vor sich hin.
    Zamorra erlaubte sich ein jungenhaftes Grinsen, wurde dann aber wieder ernst. »Sind Sie wieder in Ordnung, Raffael?«
    »Natürlich, Monsieur.« Es kostete den alten Diener immer noch etwas Überwindung, seinen Dienstherrn »Nur« Monsieur zu nennen. Früher hatte er noch den Titel dazu genannt, bis Zamorra diese Anrede zu untertänig wurde und er sie sich verbat. Er wollte mehr Freund als Oberboß sein.
    Zamorra deutete auf den Schnarchenden. »Ich habe den Fehler gemacht, ihn mit einem unserer besten Cognacs bekannt zu machen. Sturzbetrunken ist er, der alte Vogel. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Raffael, würde ich ihm nach seinem Erwachen einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten geben, damit er lernt, Menschen, die älter sind als er selbst, nicht zu schlagen.« Raffael hob die Brauen. »Derlei steht mir nicht zu, Monsieur«, sagte er. »Ich kann nur darum bitten, Anzeige erstatten zu dürfen, sofern dies nicht gegen das Gastrecht verstößt.«
    »Selbst der liebste Gast hat andere Menschen nicht zu schlagen«, sagte Zamorra. »Aber ihn vor Gericht zu stellen, dürfte schwierig werden. Er ist nicht aus unserer Zeit.«
    »Mademoiselle Nicole erlaubte sich bereits dementsprechende Andeutungen«, sagte Raffael. »Ist damit zu rechnen, daß er uns bald wieder verläßt?«
    »In seinem eigenen Interesse - hoffentlich«, brummte Zamorra. »Raffael, fühlen Sie sich fit genug, daß wir dieses fleischliche Cognac-Gefäß zu zweit in eines der Gästezimmer bringen? Seine rote Nase hat er bestimmt von nichts anderem als vom Saufen. Er brabbelte etwas von zahlreichen Weinfässern, die bei Hofe täglich leergetrunken werden - zu seiner Zeit.«
    »Ich werde mich um ihn kümmern«, versprach Raffael. Trotz seines Brummschädels trat er, ehe Zamorra noch etwas tun konnte, an den Sessel, und Zamorra rätselte tagelang darüber nach, wie der alte Diener es schaffte, die trunkene Kampfkugel auf Beinen mit einer einzigen Bewegung aus dem Sessel zu wuchten, sich über die Schulter zu laden und aus der Bibliothek zu tragen. Daß Don Cristoferos Kopf dabei mit dem Türrahmen der Bibliothek und anschließend mit dem Türrahmen des Gästezimmers innigen Kontakt bekam, erfüllte den Don später mit cognacunabhängigen Kopfschmerzen, Raffael dagegen mit innerer Zufriedenheit.
    Aber noch spürte Cristofero die Kopfschmerzen nicht. Er war keine Sekunde lang aufgewacht und schnarchte lauter als je zuvor.
    Um so aktiver war sein getreuer Zauberer.
    ***
    Der Gnom betrachtete das Zeichen.
    Das Sigill war mit magischer Kreide auf den Stein gemalt, wie er sofort feststellte. Ein Bann- und Schutzzeichen gegen schwarzmagische Kräfte. Aber es war eines, das nur im Zusammenspiel mit anderen seine volle Wirkung entfalten konnte.
    Der Gnom fuhr sich mit der Zungenspitze über die trocken gewordenen Lippen. Er ging an der Mauer entlang. Nur wenige Meter weiter fand er ein weiteres Zeichen, und dann ein drittes, ein viertes…
    Er ging nicht mehr weiter. Er wußte genug über Magie, um zu begreifen, daß diese Zeichen entlang der gesamten Mauer verteilt waren und damit eine weißmagische Schutzkonstruktion darstellten. War dies das Kraftfeld, das den Gnom an der vollständigen Entfaltung seiner magischen Fähigkeiten hinderte?
    Wenn er sich nicht ganz böse täuschte, dann war diese von den Sigillen erzeugte Magie eine Art unsichtbare Halbkugel, die sich über

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