0458 - Eine Frau regiert die Unterwelt
hat.«
»Ich bin nicht neugierig.« Aber ihre Stimme klang nicht mehr so selbstsicher wie vorher. Sie war rau und heiser und vibrierte beim Sprechen.
Der Verletzte nahm an dem Geschehen keinerlei Anteil. Er blicke starr auf den Boden. Seine Umgebung schien für ihn nicht vorhanden zu sein.
Langsam öffnete ich die Brieftasche.
Ich schlug den vergilbten Pass auf und las vor: »George Clements, geboren am 24. 07.1934 Cleveland-Ohio. Wollen Sie noch mehr Angaben?«
Die Frau hatte Nerven wie Drahtseile. »Ich wüsste nicht, warum mich die Personalien eines Verbrechers interessieren sollten, auch wenn er ein Familienangehöriger meines ehemaligen Chauffeurs sein sollte.«
»Der in der letzten Nacht ermordet wurde«, ergänzte ich.
»Ich habe ihn nicht ermordet.«
Es war totenstill, als ich meinen letzten Trumpf ausspielte.
Ich faltete die Fotokopie des Trauscheins auseinander.
»Diese Fotokopie ist so gut wie das Original. Ein Trauschein, ausgestellt für Edward Clements und Lucia Priestly. Haben Sie mir jetzt etwas zu sagen, Mrs. Clements?«
Für den Bruchteil einer Sekunde sah es so aus, als ob sie sich auf mich stürzen wollte, um mir das Papier zu entreißen. Aber sie behielt sich in der Gewalt und erinnerte sich rechtzeitig daran, dass sie die Gelähmte spielte.
Ihre Finger zuckten nervös auf den Griffen des Rollstuhls. Dann lächelte sie. Es war das erste Lächeln, das ich auf diesem Gesicht sah, aber es war nicht schön.
»Nun gut, ich war mit Edward verheiratet. Ist das ein Verbrechen?«
»Nein«, sagte ich, und ich vermochte meine Enttäuschung über ihr Verhalten kaum zu verbergen. »Aber ich werde noch herausfinden, warum Sie die Heirat vor aller Welt verheimlicht haben. Und dann, Mrs. Clements, werden Sie einen bitteren Gang antreten müssen.«
Wie eine Maske blieb ihr Lächeln auf ihrem Gesicht, als wir mit George Clements das Haus verließen.
***
Die Fahndung nach Jay Burks und seinen Ganoven lief auf Hochtouren, aber sie war bisher ergebnislos. Vier unserer Leute waren auf Lucia Priestly oder besser gesagt Mrs. Clements angesetzt, um ihr Vorleben unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse waren spärlich.
Am Nachmittag besuchte ich Phil im Krankenhaus. Natürlich sprachen wir über den Fall. Und Phil war es, der mich auf eine neue Spur brachte: »Was ist eigentlich aus dem Millionär geworden, der mit Jay Burks zusammen war?«
»Sullivan! William Sullivan! Du bist ein Goldkerl, Phil. Vielleicht ist er das fehlende Glied in der Kette. Überleg mal, er ist Kunststofffabrikant, genau wie Gowan. Eigentlich müssten sie Konkurrenten sein.«
»Das würde auch wenigstens zum Teil die Aktion mit den falschen Chips erklären. Weißt du, Jerry, Gowan war bestimmt ein harter Bursche, und gerissen war er auch. Die Sache mit den Chips lief einfach zu plump. Vielleicht wollte ihn nur jemand hereinlegen, um ihn dann hochgehen zu lassen?«
»Aber wer?«, fragte ich. »Und warum das ganze Theater?«
»Weil Sullivan scharf auf seine Fabrik war. Ist das kein Grund?«
Ich zündete mir eine Zigarette an und steckte auch Phil eine in den Mund. »Vergiss nicht seine saubere Stieftochter. Die ist so gerissen, dass du zehn Pferdehändler aus ihr machen könntest. Und dann blieben immer noch drei Gauner übrig.«
Ich stand auf und nahm meinen Hut.
»Warum willst du schon gehen?«, fragte Phil mit saurer Miene.
»Weil du mich auf eine ausgezeichnete Idee gebracht hast, du angeschossener Gangsterschreck. Was hältst du von der Dreieckskombination Sullivan-Lucia-Burks?«
***
Ich saß hinter dem Steuer meines Jaguar und fuhr die Bowery entlang.
Diesmal ersparte ich mir den Smoking. Ich war überzeugt, dass ich bei Conny auf jeden Fall unwillkommen war.
Conny Clay war nur Jay Burks Strohmann. Burks brauchte Geld. Also musste er sich über kurz oder lang mit ihm in Verbindung setzen.
Ich parkte den Jaguar in einer Seitenstraße und ging die paar Schritte zu Fuß.
Ich wollte mich nicht lange in der Touristenfalle herumdrücken. Die Preise waren mir zu hoch und die Getränke zu schlecht. Deshalb wandte ich mich gleich an einen Zweizentnermann, der bestimmt zu Clays Garde gehörte.
»Wo steckt denn Conny?«, fragte ich.
Er rollte die Zigarette in den anderen Mundwinkel. »Was weiß ich, sicher im Büro.«
Ich schritt durch die mir bereits bekannten Räume, bis ich im äußersten Winkel eines schmalen Querganges das Büro entdeckte.
Ich konnte durch die Tür hören, dass im Radio ein Boxkampf übertragen
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